Bleib uns gesund und behalt uns lieb 01: Briefe und Feldpostbriefe einer deutschen Familie 1928 bis 1946
lieber Junge!
Für Deinen lieben Brief vom 25.11 recht vielen Dank, wir haben uns wieder sehr darüber gefreut. Ich bin froh, daß Du das Päckchen mit Briefpapier und Zigaretten erhalten hast. So hattest Du doch wenigstens eine kleine Freude. Heute hat Leni ein Paket fortgeschickt und da hat Vater wieder ein paar Schachteln mitgegeben. Die Zeitschriften der Wehrmacht habe ich bei Frau Arnold gesehen. Das kleine Buch wird Dir vielleicht über die Langeweile helfen. Ich wollte eigentlich einige Illustrierte haben, bekam aber nichts. Auch kleine Kriminalschriften waren nicht vorhanden. Wenn Du das Buch gelesen hast und willst es nicht aufheben, so gib es an Kameraden weiter. Im Paket ist auch ein wollener Schal mit, vielleicht tut er Dir gute Dienste. Solltest Du ihn aber nicht brauchen, so bringst Du ihn wieder mit nach Hause, es ist noch gute Wolle. Bei Schramms war ich noch nicht, werde aber in den nächsten Tagen zu ihnen gehen. Wer weiß, warum Tante nicht mehr geschrieben hat. Von Lieberoths finde ich die Sendung ganz groß. Die Hauptsache ist ja, daß Du ein gutes Zeugnis erhalten hast. Na, da konnten sie ja gar nicht anders, hast Du Dich ja sehr viel abgerackert und es endlich verdient.
Es freut uns, daß es Dir gesundheitlich gut geht. Von uns kann ich Dir das Gleiche berichten. Ich bin sehr froh, daß der Sturz bei Vater so glimpflich abgegangen ist. Nun ist Vater auch um zehn Jahre jünger geworden, durch seine neuen Zähne. Er hat sie seit Sonnabend. Am Sonntag wollten wir essen gehen, aber der Kiefer war ihm geschwollen, da habe ich für uns eine Griessuppe gekocht. Leni und Frau Kolbe haben mich dann zu Rehbraten eingeladen. Das hat mir sehr gut geschmeckt. Heute war nun Vater nochmals bei Rudelt und hat derselbe das Gebiß etwas abgeändert. Nun ist es besser. Vater geht nun um 9 Uhr in den Nachtdienst. Elli war auch zu Hause und waren wir drei im Kino, ‘Lumpacius Vagabundus’. Der Film hat mir sehr gut gefallen. Es waren viele Lebenserfahrungen drin enthalten. Ich weiß nicht, ob Du den Film gesehen hast, aber er ist wirklich gut.
Wir haben hier kälteres Wetter, es ist aber besser als der Matsch. Es ist schade, daß Du nicht zu Tante Martha fahren konntest, man hätte doch mal wieder was von Gerhard gehört. Elli hat mir auch Deinen Brief an sie gezeigt, sie freut sich immer sehr. Es war recht von Dir, daß Du ihr mal die Wahrheit gesagt hast. Ich glaube, Tante Anna oder Tante Grete machen ihr manchmal den Kopf warm.
Das Konzert im Krystallpalast war sehr schön. Es herrschte Wiener Stimmung, dafür hat es mir im ... nicht so gut gefallen. Zwar war die Aufführung flott, aber der Gesang ließ zu wünschen übrig. Ende der Woche haben wir Wäsche, diesmal ist es schön, denn Vater hilft beim Einräumen, und Frau Kolbe hilft auch mit, da wird es schnell gehen. Ich würde ja auch in eine Waschanstalt gehen, aber es geht doch über die Wäsche, da helfen wir uns noch selbst. Nun rücken ja auch die Tage Deines Urlaubs immer näher. Ach, wird das schön werden, doch nun will ich Schluß machen, die Schrift wird immer krakliger.
Recht viele Grüße von Vater, Elli und mir zugleich einen Kuß von mir.
In aller Liebe Mutter.
Soeben bringt das Radio aus ‘Rigoletto’ das Quartett des letzten Aktes, ganz groß.
Helene Jentzsch an Hans Helm
Leipzig, den 19.6. 40
Lieber Hans!
Wir danken Dir für Dein nettes Kärtchen. Hast Dich also ganz schön eingefunden. Das ist die Hauptsache. Es ist alles gar nicht so schlimm, wie es vorerst aussieht. Daß Dir der Abschied daheim schwer gefallen ist, kann ich mir vorstellen. Versteht Euch ja auch beide gut. Gesundheitlich ist es für Dich sogar wertvoller, als die Arbeit bei Lieberoth. Na, die Zeit vergeht auch, vielleicht rascher als wir denken.
Ich wollte heute eigentlich zu Leni. Lotte L. ist auch dort. Ich habe gestern zehn Pfund Erdbeeren gepflückt und habe heute Muskelkater und bin malade und bin beim Einkochen. Mache für Leni noch ein paar Gläser mit voll. Leni war gestern auch im Garten, war nicht im Club. Sie hat gejätet in ihren Beeten und Lieschen hat gegossen. Vater war auch draußen und sind wir erst um 10 Uhr draußen weg. Erika hat heute auch geschrieben, sie war krank, hatte Blinddarmreizung und muß sich evtl. operieren lassen. Sie hat für jeden ein Pfund Kaffee abgeschickt. Halte den Daumen, daß er ankommt.
Herr Göllner ist nach einer Woche nach dem Osten abtransportiert worden und durften die Frauen zwar noch auf
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