Bleib uns gesund und behalt uns lieb 01: Briefe und Feldpostbriefe einer deutschen Familie 1928 bis 1946
den anderen Menschen beruhigt. Wegen Fritz seinem Brief mach Dir da mal keine Sorgen, ich hänge noch an ihm, aber es hat mich nicht mehr so berührt wie früher, denn es ist nicht so wie mit Toni, zu dem habe ich ein anderes Vertrauen, trotzdem er mit mir noch in allem Rücksicht nimmt. Ich hatte doch nun, trotzdem ich erst Radfahren gelernt hatte, mit Toni die Partie ins Karwendel gemacht, was sehr schön war, trotzdem es viele Hindernisse gab, aber so was verstärkt die Erinnerungen. Sonnabend holte mich Toni mit dem Rad ab um ½ 5 Uhr, da ging es los nach Hinterriß (45 km), wo uns ein tüchtiger Guß erwischte und zuvor hatten wir ein großes ..., wo ich hätte mein Leben lassen können, wir fuhren bergab und von unten kam ein großer Lastwagen mit Holz beladen, auf einmal wurde ich unsicher und verlor die Balance. Da rief ich auf einmal nach Toni, der rief ‘Bremse’, aber es war zu spät, ließ mich runterfallen. Da lag ich vor dem Auto, wenn der Fahrer nicht schnell bremste sowie links in Graben fuhr, wäre es geschehen. Toni und ich waren zu Tode erschrocken, ich brachte kein Wort sowie keine Träne heraus, konnte mich auch nicht entschuldigen. Toni gab den vier Leuten 20 Mark, damit sie nichts zu mir sagten, aber zu mir meinte er nur: “Froh bin ich, daß Dir nichts weiter geschehen ist.” Da hat er mich das erste Mal beim Kopf genommen und gab mir einen Kuß, ich wußte nicht, wie mir geschah, immer und immer wieder meinte er: “Ich bin bloß froh, daß ich Dich noch wohlbehalten habe, ich wüßte nicht, was geworden wäre.”Sogar die Tränen haben ihm in Augen gestanden. Leni, da wußte ich erst einmal, daß wir innerlich verbunden sind. Nun kamen wir um ½ 10 Uhr in Hinterriß an um dort zu übernachten. Wo wir in dem Touristenhotel ankamen, war alles besetzt, nur ein Zimmer war noch frei und zwar hatten dort schon zwei Tölzer Herren sich einquartiert. so blieb mir nichts anderes übrig als mit drei Männer vorlieb zu nehmen, was mir unangenehm war. Toni meinte aber: “Es ist nicht schlimm, müde bist Du, so wirst Du schon schlafen.” Er hat die beiden ersucht, damit sie warten, bis ich gewaschen bin, sonst wäre ich nie dort hinein gegangen. Die ganze Nacht hat es in Strömen gegossen und ich konnte kein Auge zumachen. Um 5 Uhr, da schaute Toni zum Fenster hinaus, wie das Wetter ist, natürlich war es nicht besser, da war ich gerade etwas eingenickt. So kam Toni an mein Bett und strich mir über den Kopf, wo er meinte: “Wie bin ich froh, daß Dir nichts passiert ist.” Leni, das kam von diesem Menschen aus dem Herzen, so hat es noch kein Mensch außer Dir zu mir gemeint. Um 6 Uhr standen wir auf um den Aufstieg zum Schafreiter zu machen, was uns auch der Wettergott gut gemeint hat. Wir bekamen bis um 3 Uhr Nachmittag sehr schönes Wetter, wo wir beide die ganze Schönheit der bayrischen Berge so richtig genießen konnten. Nun haben wir großes Schwein gehabt, denn wir haben auf der Tölzer Hütte ein fabelhaftes essen bekommen ohne Marken, es war so viel Fleisch, was wir die ganze Woche zu zweit bekommen. Auch sehr guten Kuchen sowie Kaffee. Toni und ich haben unseren Abschied nochmal so glücklich verlebt. Von Toni bekam ich noch einen Strauß Alpenrausch, wo mir die Tränen kamen, ich wußte nichts davon, daß er mir welchen holte. Weißt Du, Leni, ich könnte Dir zwanzig Seiten drüber schreiben, aber noch mehr wird es Dich freuen, das alles mündlich zu hören, meinst Du nicht auch???
Nun was anderes. Wie geht es Dir. Ich freue mich schon, wenn ich Dich wieder in meinen Armen halten kann, auch will ich morgen früh an Deine Schwiegermutter schreiben, denn ich hab mich riesig über das Lesezeichen gefreut. Der Spruch hat auch was Wahres an sich. Auch muß ich Hans schreiben, denn er wird schon böse auf mich sein, werde aber schon alles gut machen. Wie ist denn Mutti mit Papa in L. gelandet, hoffe doch gut. Am liebsten wäre ich ja in Tölz geblieben, denn jetzt weiß ich erst, wie schön das Leben sein kann. Mutti hat ja an alles teilgenommen. Habe auch den Film zu entwickeln gegeben und bekomme denselben schon Sonnabend. Schicke Dir sowie Hans die Bilder gleich zu oder besser ich bring sie Dir persönlich. Leni, es wäre nett, wenn Du Hanna und Lisbeth einladen willst, aber schöner wäre es, wir würden den ersten Tag allein sein, damit Du erst alles hörst, wie es war. Nun noch eins. Ich werde erst am Freitagabend in L. eintreffen, denn ich muß meine Mutter erst etwas beruhigen, ich
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