Bleib uns gesund und behalt uns lieb 01: Briefe und Feldpostbriefe einer deutschen Familie 1928 bis 1946
um sie kümmert, und das hat Mutter natürlich tief gekränkt. Als die Straßenbahn dann kam, rief sie uns noch zu, sie wolle am Abend Schluß machen mit dem Leben, da hat mich Mutter mit Heidi auf die Straßenbahn geschoben und ist noch draußen geblieben. Wenn ich noch draußen geblieben wäre, ich glaube, ich hätte ihr links und rechts ein paar kräftige runtergehauen. Gegen 8 Uhr kam sie dann nach Hause, eigentlich wollte ich Dir ja gestern Abend schreiben, aber Du verstehst doch, daß ich mich da lieber erst mal Mutter gewidmet habe, denn Vater war Gose trinken gegangen. Vielleicht ist es nicht richtig, daß ich Dir dies alles so schreibe, denn unnütz sorgen sollst Du Dich ja nicht, weil Du Dich jetzt ganz konzentrieren mußt auf die Arbeit, andererseits solltest Du aber alles wissen, was so vorgeht. Heute von früh bis Mittag hat Heidi im Bettchen auf dem Balkon gestanden und war später obendrauf auf dem Deckbett eingeschlafen, natürlich auf dem Bauch, und mit dem Kopf in die Kissen. Man muß immer gucken mit dem kleinen Kerl. Um 2 Uhr bin ich mit ihr wieder runter, durch den Wald und Park in die Stadt, habe mir bei Harko zwei Paar Strohschuhe gekauft und dann die Apotheken nach Lebertran abgeklappert. ¼ 7 Uhr waren wir wieder daheim. Diese Nacht müßte sie doch ganz fest schlafen – mal sehen. Morgen früh will ich ein Pumpernickel für Dich backen und dann Dein Paket fertig machen, und dann anschließend will ich noch ein paar Zeilen an Deinen Kameraden Mänicke schreiben. Erika ist immer noch nicht da. Mutti macht sich Sorgen um sie, denn am 10. wollte sie hier sein. Sonntag hat Papa nun Geburtstag und am 3.3. Lisa. Was ich beiden schenke, weiß ich bis jetzt noch nicht.
Für heute nun will ich Schluß machen, ich bin hundemüde. Behalt uns recht lieb, kleiner Mann, und bald sehen wir uns wieder, und nun nimm 1000 liebe Grüße und Süße auch von Deinem Heidikind
Deine kleine Lenifrau.
Leipzig, den 24.2. 1943
Mein lieber alter Strolch!
Nun ist es glücklich 9 Uhr, eben habe ich mit Mutter, die bei Elli war, zu Abend gespeist, und damit ich beim Schreiben nicht einschlafe, haben wir uns eine Tasse Bohne geleistet. Für Deinen lieben Brief, der gestern ankam, Dir recht herzlichen Dank. Es war wirklich ein lieber langer Brief, wie ich ihn gar nicht erwartet hatte. Das Paket ist heute auch weggegangen, ich habe es als dringend aufgegeben, hoffentlich geht es da nicht allzu lange, und macht es Dir ein klein wenig Freude. Wenn man könnte, wie man wollte, so hätte ich ein großes Freßpaket fertig gemacht mit Kuchen, Nugat, Schoko, Zigaretten usw. Aber wenn das mal wieder so weit ist, bist Du doch schon lange zu Hause und hast dann hübsch mit Deinem Töchterchen zu teilen. Der kleine Stromer ist ein richtiger kleiner Freßsack, immer geht es papap, papap, und wenn sie jemanden essen sieht oder sonst was Eßbares erspäht, ist sie kaum zu bändigen. Heute hatte sie beobachtet, wie ich ihr Saftfläschchen aufs Fensterbrett in der Stube stellte. Da ihr Bettchen davor stand, hättest Du mal sehen sollen, wie sie gerangelt hat. Sie stand dazu breitbeinig auf ihren kleinen Beinchen und wollte es unbedingt erwischen, bis sie schließlich sich nicht mehr halten konnte, umkippte, sich an ihr Köpfchen stieß und in ein großes Gebrüll ausbrach, war aber fix zu beruhigen. Du wirst jedenfalls über ihren Fortschritt staunen, und Spaß wird es Dir machen, mit ihr jetzt spazieren zu gehen. Da ist sie nicht zu bändigen, und wenn sie noch so müde ist. Heute haben wir beide wieder ganz derb gelacht. Sie stand im Bettchen, Du mußt wissen, daß wir heute nicht raus konnten, weil den ganzen Tag schrecklicher Nebel war. Also Heidi stand im Bettchen, die Hände auf der Kante, ich davor im Sessel und stopfte Strümpfe. Plötzlich sprudelte sie so, daß mich ein richtiger Strahl traf. Ich fuhr wirklich zurück, und darüber hat sie sich totgelacht. Das ging Dir dann vielleicht eine Viertelstunde so, und sie wartete immer wieder, bis ich mit meinem Kopf nah genug war. Weißt Du, was sie sich heut Abend geleistet hatte, nach dem Abendessen? Aufs Töpfchen hat sie nichts gemacht.Plötzlich liegt sie beim Rumrollen still, und macht doch ihr kleines Geschäftchen auf unseren Diwan. So ein Ferkelchen! Eine Viertelstunde später macht sie dann noch ein Pfützchen auf ihr Kopfkissen, und schließlich die dritte auf ihre frische Windel. .... Allein kann ich sie auf der Straße jedenfalls nicht mehr stehen lassen.
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