Bleib uns gesund und behalt uns lieb 01: Briefe und Feldpostbriefe einer deutschen Familie 1928 bis 1946
herzlich dafür. Gewartet habe ich genau so auf Post wie Du, denn morgen wäre auch eine Woche verstrichen, seit der letzte Brief ankam. Aber es klappt leider nicht immer so wie man es sich vornimmt, und man freut sich dann doch schließlich doppelt, wenn endlich doch ein Brieflein geflattert kommt. Enttäuscht war ich nur ein bissel wegen dem Sportwagen, denn da hatte ich wirklich ganz fest damit gerechnet. Aber was nicht ist, ist nicht, und muß ich nun eben wieder auf die Suche nach einer alten Kiste gehen, denn einen hübschen und anständigen wird man hier kaum bekommen, von einem neuen ganz zu schweigen. Das Wetter ist bei uns jetzt wieder ganz mies, oft Sturm und Regen, und kann ich mir da nicht wagen mit Heidi rauszufahren, denn der Nickel bleibt doch nicht liegen. Allerdings kann ich mir gut vorstellen, daß Du sehnsüchtig zum Fenster rausschaust, ich kenne das Gefühl aus Erfahrung, wenn es nun nach dem langen Winter wieder schön wird und man in einem Raum sozusagen eingeschlossen sitzt, da zieht es einen mit allen Fasern hinaus, und man ist so luft- und sonnenhungrig. Der Film im Apparat ist bald zu Ende, höchstens noch drei oder vier Aufnahmen, die will ich aber lassen, wenn mal ein schöner Tag ist, nur Heidi im Bettchen auf dem Balkon ist, und sie obendrauf auf ihrem Deckbett schläft, das sieht nämlich zu drollig aus. Zum Fotografen werde ich dann doch erst im April oder Mai gehen, da macht sich das dann besser. Ich glaube kaum daß es Zweck hat, wenn Du Elli mal einen Brief schreibst, sie nimmt sich das ja doch nicht an. Das letzte Benehmen war jedenfalls nicht auf ihre Krankheit zurückzuführen, denn sie hat diesmal hinterher keinen Anfall bekommen. Sie sieht jetzt auch ihr ungezogenes Benehmen ein, aber wenn sie wieder mal der Koller packt, sind eben alle guten Vorsätze vergessen. Mutter hat Dir wohl schon geschrieben, daß sie jetzt ein anderes Zimmer hat, mit einem Oberlichtfenster. Die Schwester wird schon wissen, warum sie es so gemacht hat. Mit der Nachtruhe bei mir ist es das Übliche. Ein Zähnchen will wieder durch und hatte ich jetzt mal zwei Nächte so gut wie nicht geschlafen. In der Nacht vom Sonnabend zum Sonntag habe ich ihr dann früh um 4 Uhr Baldrian gekocht, und haben wir beide dann wenigstens zwei Stunden noch geschlafen. Letzte Nacht hat Mutter mal bei ihr geschlafen, denn Deine Frau ist die ganze Nacht nicht heimgekommen. Mutter hatte ihr aber wohlweislich schon abends um 10 Uhr Baldrian gegeben und auch so eine ganz gute Nacht gehabt. Heute probiere ich es aber wieder ohne. Mal sehen. Sag mal, warum soll ich nach Schandau kommen? Willst Du wirklich von dort für Sonnabend Sonntag dahin kommen? Das dürfte doch wohl auch ein bissel weit sein. Wäre es nicht besser, wenn wir da unseren Treffpunkt noch ein bissel weiter runter legen würden. Z. B. nach dem Sudetenland. Ich kann leider nicht beurteilen, ob eine 5 oder 6 in Euren ... gut sind, denn die Bewertung ist ja jetzt anders als früher. Ich weiß nur, daß Onkel Paul in der Schule mal früher eine 6 im Schreiben bekommen hat, weil eine 5 noch viel zu gut war. Mach Dir nur wegen der Zwischenprüfung keine Sorgen, gleich wie es kommt. Du kannst doch nur höchstens wieder früher zurück befördert werden, und so tragisch wäre dies ja auch nicht. Aber freue Dich nur nicht gar so sehr auf die Aalerei im Sommer. Ich schätze, Deine Tochter wird Dich ganz schön in Trapp halten. Neuerdings hat sie steppen gelernt. Ja wirklich, es klingt ganz so. Du mußt nämlich wissen, daß sie jetzt die neuen Schuhchen von Frau Frank an hat, und da macht sie schrecklich gern Lärm damit. Sie hüpft und springt und schmeißt die Beine nach allen Richtungen. Du wirst staunen und Deine helle Freude an ihr haben. Heute hat Mutter ihr einen Apfel gegeben mit der Bemerkung: “Sie wird nicht viel abkriegen.” Sieh da, es dauerte gar nicht lange, und der Apfel war rundum abgenagt. Mit meinem Besuch und Arbeiterei im Garten am Donnerstag war nichts geworden, denn wir hatten wieder ein Grad Kälte und starken Nebel. War deshalb nur mal so in der Nürnberger, und es war gut, daß ich kam, denn Mittag wollte Erika kommen und so konnte ich Mutti gleich ein bissel helfen. Sie sah sehr gut aus, dicker und braun. Über ihren Sohn war sie am Anfang entsetzt, was für eine freche Rübe das geworden ist. Jetzt ist sie aber wieder hell begeistert von ihm. ... Am Sonnabend habe ich geschlagene eineinhalb Stunden bei Markart im Blumenladen gestanden,
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