Bleib uns gesund und behalt uns lieb 01: Briefe und Feldpostbriefe einer deutschen Familie 1928 bis 1946
frisch rasiert, gewaschen, frische Wäsche, pikobello von oben bis unten und werde ich diesmal im Urlaub mich auch dementsprechend von Dir auszahlen lassen. Mit den Kameraden komme ich ganz gut aus, aber ich suche auch keinen näheren Kontakt, erstens fällt es mir schwer und dann gehen ja viele hier wieder weg. Mit der Ausgeherei wird mir das bald unheimlich, aber ich bin heute zu Hause geblieben, weil ich gestern schon war, man soll es nicht übertreiben, denn dann ist es auch kein Genuss mehr. Aber wie ich schon mal schrieb, ein schlechtes Gewissen habe ich Dir gegenüber doch, Du armer Kerl bist nun so ans Haus gebunden. Wenn Du Dich abends fürchtest, so kannst Du es doch nachmittags einrichten.
Das Eis ist nicht gerade schlecht, was man hier im ‘Rondo’ (ähnlich unserem ‘Pavillon’ mitten in der Stadt) bekommt, aber der Zucker fehlt. Allerdings ist es wirklich durstlöschend. Ich bin froh, dass die Wäsche wieder überstanden ist, da habt Ihr ja mit dem Wetter viel Glück gehabt, hoffentlich ist es jetzt so schön wie hier. Wie gefällt es denn Heidi in ihrer Kutsche, die läßt sich wohl auch leichter transportieren als der Wagen. Deine Geldbörse hat da allerdings ein grosses Loch bekommen, kleiner Finanzminister. Wie war es denn im Kino und was hast Du gesehen? Waren denn Lotte und Lisa da? Grüsse bitte Lotte mal von mir und würde ich gerne mal wieder mit ihr einen Doppelkopf spielen. Gab es im Garten viel Arbeit und wie machen sich die Erdbeeren, langt es zu einer Erdbeerbowle, mache Lisa nur schonend darauf aufmerksam, denn ich hoffe, dass Kunads den Sprit liefern. Da will ich nur sehen, dass ich so viel wie möglich Butter Euch schicken kann, damit der Fleischabzug wieder rausspringt, nur wie gesagt, die steigenden Preise nach den Unruhen hier machen mir Sorge.
Am Donnerstag zu Freitag hatte ich U.v.D. und dadurch am Freitag Nachmittag frei. Da bin ich ½ 4 Uhr nach Arnheim rein und bin eineinhalb Stunde vergeblich nach Streichhölzern, Zahnpasta, Nagelschere und Butter auf mein 150-Gramm-Bonds rumgerannt. Es ist jetzt alles so gut wie alle und können die Buttergeschäfte nicht mal ihre Kunden bedienen. Aber in Zwolle werde ich schwarz schon wieder welche bekommen. Dann war ich in ‘Rosen in Tirol’, wirklich sehr nett, schöne Landschaften und gute Musik. ¼ 9 Uhr bin ich mit der Strassenbahn so weit wie möglich in Lagerrichtung gefahren und hatte dann noch einen schönen sechs Kilometer Weg durch den Wald; obwohl mir die Füsse weh taten, war es doch ein Genuss. Heute war ein Pechtag, denn ich konnte mich nicht vom Impfen drücken und laufe nun mit ‘geschwollener’ linker Brust herum, na, zwei Jahre habe ich mich gedrückt, da kann man ja zufrieden sein. Morgen fahre ich in die Stadt rein und abends gehe ich in ‘Der Spieler’, und dann fängt die zweite Woche an. Nun ist es mit der Ruhe vorbei; die Leute sind alle zurück und ich will nun für heute schliessen. Ich hoffe, dass Ihr einen recht schönen Sonntag verlebt habt und Du Dich recht aalen konntest.
Dir nun recht viele liebe Grüsse und Küsse, auch für Heidi
von Deinem Dichliebenden Hans.
Leipzig, den 15.5.43
Mein lieber alter Strolch!
Heute Morgen kam Dein lieber Brief, der eigentlich erst morgen ankommen sollte, den ich aber trotzdem schon gelesen habe, und für den ich Dir von ganzem Herzen danke. Ich nehme es als vollendete Tatsache, daß Du und Heidi mich mit einem großen Fliederstrauß morgens begrüßen wolltet, vorausgesetzt natürlich, daß Ihr welchen bekommen hättet, ich habe nämlich keine Blumen für Mutter erwischt, dafür aber etwas viel Wertvolleres, nämlich zehn Tomatenpflanzen, und außerdem werde ich eine Tasse Bohnenkaffee spendieren. Kleiner Mann, es ist nun bald nicht mehr so, daß ich wie ein kleines Mädchen aussehe, ich glaube, die Zeiten sind endgültig vorbei, wenn ich in den Spiegel schaue, so kann ich schon eine ganze Menge Fältchen um die Augen rum feststellen, aber das Herz ist trotzdem noch wie bei einem Mädchen. Eigentlich wäre es für mich das Schönste, wenn Heidi mich nicht als Respektsperson ansieht, sondern wie eine Kameradin, und wäre es das, was ich mir mal wünsche. Sie babelt alles nach oder versucht es wenigstens, sag ich ‘Spitzbube’ zu ihr, dann grient sie ganz unverschämt, steckt die Zunge raus und macht hahah; oder wenn sie auf dem Fußboden rumgekrochen ist und furchtbar schmutzig aussieht und ich sage ‘Dreckspatz’, dann geht es genau so.
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