Bleib uns gesund und behalt uns lieb 01: Briefe und Feldpostbriefe einer deutschen Familie 1928 bis 1946
Du nicht zu viel zu schleppen hast? Jetzt wird gleich Heidi munter werden, und dann wollen wir auf die Wiese gehen, vielleicht gehe ich auch mit Mutter mal zu Hedwig rüber. Jetzt ist Mutter baden, und heute Abend gehen beide ins Gohliser Schlößchen. Gestern Abend war ich mal mit Frau Kürbis im Astoria ‘Sophienbund’, ein wirklich netter Film.
Für heute will ich mal schließen. Ich hoffe daß Du morgen einen halbwegs anständigen Sonntag verlebst, und daß wir am nächsten Sonntag dann endlich beisammen sind.Dir nun viele herzliche Grüße und einen Kuß auch von einem Heidikind
Deine Leni.
Heidis Wortschatz hat sich um ‘heiß’ bereichert.
auf dem gleichen Briefbogen:
17.7. 43
Mein lieber, guter Junge!
Anbei noch 100 M. Ich will heute nicht weiter schreiben, da der Brief gleich fort. Nur sagen will ich Dir, daß ich Dich mit Sehnsucht erwarte. Morgen fahren Vater und ich zu Elli. Von Vater und mir viele liebe Grüße und Küsse.
In aller Liebe Deine alte Mutter.
Urlaub von vermutlich 25.7. bis 10.8. 1943
E.O., den 11.8. 43
Meine liebe kleine Lenifrau!
Nun bin ich leider wieder hier bei der Truppe eingetroffen und will Dir gleich einen wenn auch nicht langen Brief schreiben. Es ist jetzt bald 21 Uhr, also vor genau 24 Stunden haben wir Abschied genommen, allerdings habe ich Dich vor den anderen Leuten diesmal nicht lange winken sehen und dann war es auch zu dunkel in der Halle, jedenfalls gegen sonst warst Du äußerst schnell meinem Blickfeld entzogen. Ich hoffe nun, dass Du und Vater recht schnell wieder nach Hause gekommen seid und Du, nun wieder Alleinherrscher über zwei Ehebetten, recht schön geschlafen hast. Ich schätze, dass Ihr so gegen ½ - ¾ 10 Uhr wieder zu Hause wart und um diese Zeit war ich in Halle, wo auch unser Coupé voll wurde, aber meinen Fensterplatz konnte man mir nicht streitig machen. Mutters Kissen hat mir wieder gute Dienste geleistet, ich habe so auf das Fenstertischchen gelegt, fix noch ein Stäbchen geraucht und als ich dann mal aufwachte, war es ½ 1 Uhr. Da mein Magen mich zum Erwachen brachte, habe ich zwei Schnitten gefuttert und eine halbe Flasche Bier dazu getrunken, dann meine Rübe wieder aufs Kissen und als ich mich umdrehte, war es ½ 4 Uhr; der Durst meldete sich wieder und schwapp, war die Bulle leer. Mit dem Weiterschlafen habe ich es dann riskiert und wachte ich ¾ 6 Uhr wieder auf und um 6 Uhr waren wir in Düsseldorf, wo ich das erste mal umgestiegen bin, denn der Leipziger Zug fuhr nicht über Duisburg. Aber der Anschluss war ziemlich gut und um 7 Uhr war ich in Duisburg. Da der SFR Zug 4) erst um 8.24 Uhr nach Arnheim weiterging, bin ich zum Bahnhof raus über die Strasse zur Rot- Kreuz-Verpflegungsstelle, erstens um mal in Ruhe eine Sitzung zu halten und dann um eine Tasse warmen Kaffee zu trinken. Aber die Toiletten waren dort bei einem Angriff total zerstört worden und jetzt war es mit meiner Sitzung so eilig, dass ich in grossen Schritten ohne Gepäck wieder zum Bahnhof hin bin und dort ein ruhiges Plätzchen aufsuchen wollte, doch es war alles besetzt und habe ich paar Minuten Blut geschwitzt. Aber desto leichter ging es mir dann und als ich eine Tasse Kaffee intus hatte, habe ich mich über die Pflaumen hergemacht, die prima geschmeckt haben. Hatte ich mir bis dahin keine Gedanken über unsere Trennung groß gemacht, wahrscheinlich durch die Müdigkeit, so gab es mir einen ganz gewaltigen Ruck, als auf dem Nebengleis des Bahnsteiges kurz vor der Einfahrt des Arnheimer Zuges ein Schnellzug einlief, der über Kassel nach Leipzig fuhr, und so im Unterbewusstsein spielte ich mit dem Gedanken, wieder mit nach Hause zu fahren. Und je näher ich nach Holland kam, um so sinnloser kam mir alles vor und es müssen Dir doch ganz gewaltig wieder mal die Ohren geklungen haben, so habe ich an Dich, Heidi und beide Eltern gedacht und dabei diesen blöden Krieg verwünscht, der uns wieder auseinander gerissen hat und so viel Elend über die Welt bringt. Meine Laune war jedenfalls unter den Nullpunkt gefallen. Weisst, Du, diesmal war es im Urlaub so, dass ich mich so eingewöhnt hatte, dass der Gedanke, wieder fortfahren zu müssen, gar nicht gross Fuss fassen konnte, und erst als ich den Zug nach Leipzig sah, wusste ich erst wieder richtig, was ich für längere Zeit alles wieder aufgeben muss. Na, ich bin dann doch nach Arnheim gefahren, wo ich ¾ 11 Uhr eintraf, ½ 12 Uhr ging ein Zug nach Zwolle und traf ich im Coupé einen
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