Bleib uns gesund und behalt uns lieb 01: Briefe und Feldpostbriefe einer deutschen Familie 1928 bis 1946
nach einem Blumenstrauß für Tante Anna rumgerannt. Onkel Max hielt einen Vortrag, den er am Freitag bei dem Angriff auf Kassel wegen allerhöchster Luftgefahr abbrechen mußte. Ach Gott, da bin ich doch schon beim Sonntag! Also, so einen Besen habe ich doch für zwei Mark glücklich erwischt; und habe ich gerade noch geschafft, daß ich ½ 5 Uhr in die Elite kam. Nun ist aber auch wieder für eine Weile Ruhe, ‘Der dunkle Tag’ wurde gespielt, und hat er mir gut gefallen. Die Besetzung war ja mit Mark Fabel, W. Birgel und L. Belfre sehr gut. Am Abend hatte ich mal wieder Stopfarbeit. Heute Morgen (sind) wir, Mutter, Heidi und ich zum Geburtstag, nur schade, daß wir so satt waren, daß wir gar keinen Geburtstagskuchen essen konnten, haben aber unser Stücklein mitbekommen. Nach Tisch kam Mutti für eine Stunde und brachte sie Heidis neuen Pullover mit, dunkelblau wie unsere Westover. Sieht wirklich süß aus, nur ein bissel knapp, die Wolle hat nicht ganz gereicht. Habe gleich für unsere zwei Mütter eine Tasse Bohne gekocht. Prima. Um 3 Uhr rückte aber Mutti schon wieder, sie hatte am Friedhofsweg ein Treffen mit Papa, wollen sich die Zerstörungen in Stötteritz ansehen. Mutter, Heidi und ich haben sie ans ‘Bähnle’ gebracht und sind dann spazieren gegangen. Heidi in Gamaschenhöschen und neuem Pullover, und sah sie wirklich reizend aus. Ich habe bedauert daß ich keinen Apparat mithatte. Alle drei sind wir tüchtig durchs Laub gestiefelt, daß es eine Lust war. Heidi läuft jetzt alles, so daß wir gar keinen Wagen mehr mitnehmen! Sie sagt jetzt fast nur noch ‘Vati’ und ‘Mutti’. Das ‘T’ spricht sie sehr scharf, und klingt es sehr schön. Jeden Abend gibt sie ihrem Vati einen Kuß, dann kommt ‘Ulli – Eka (Erika) –Tiklik – Opas wie’ (damit meint sie die zwei Sorglosen). und dann geht es zum Gute Nacht sagen zur Oma und Opa. Du wirst wirklich staunen was für Fortschritte sie gemacht hat. Unser Kerlchen – ich habe sie ja so lieb. Jetzt hat sie einen richtigen Hahnenkamm, und sieht sie aus wie Moritz. Drollig ist es, wenn sie Frau Lehmann sieht, dann ruft sie schon von weitem ‘Lehmann - Lehmann’. Tante zu sagen hat sie ja bei keinem nötig. Sie ruft ‘Lisa - Elli, Anna - Tela (Grete) - Eva. ... Und dann sag mal, hast Du von Frau Kühn zwei Arkodromhefte dort? Die vermißt sie, und wäre es ja möglich daß Du sie mit Deinen Noten eingepackt hast. Über Frau Kühn wird Dir ja Mutter schreiben. Damit wäre ich mal wieder am Schluß angelangt. Gretel hat auch wieder einen Brief geschrieben. Sie ist sehr unglücklich. Wahrscheinlich muß sie doch wieder ins Krankenhaus und operiert werden. In ihrem Alter ist das sehr schlimm und tut sie mir sehr sehr leid. Wo sie so sehr kinderlieb ist, wird sie nun nie eigene Kinder haben können. Das wäre aber nun wirklich alles. Sagen will ich Dir noch, daß Du so viel Butter als irgend möglich kaufen sollst. Und nun lieber Strolch und ‘Vati’, behalt uns lieb wie wir Dich lieb behalten und nimm wieder viele liebe Grüße und einen Kuß
von Deiner Leni und Heidi.
Leipzig, den 3.11. 1943
Mein lieber alter Strolch!
Das war wieder ein feiner Brief von Dir, der heute hier bei mir eintraf, und danke ich Dir wieder recht herzlich. Es ist gut, wenn man mal wieder so gut zugeredet bekommt, und macht einen gleich wieder viel stärker, aber in Zukunft muß ich mich wohl mehr zusammenreißen. Gleich zum Anfang aber will ich Dir sagen, daß das beiliegende Geld für drei Fußsäcke ist. Hoffentlich klappt es. Eine genaue Abrechnung lege ich Dir hier mit bei, und ist die nun endgültig. Bei den Preisen sehe ich, daß ich überall viel zu wenig Porto berechnet habe. Hast Du nun mein ganzes Geld erhalten? Im Ganzen müssen es bis jetzt 755 M sein. Bei dem heutigen Geld sind nochmals 15 M dabei, so daß es sich auf 770 M erhöht. Alles andere ersiehst Du aus der Abrechnung.
Gestern war bei uns mal wieder ein sehr schöner Tag, und waren Mutter, Heidi, Karin und ich wieder im Wald spazieren. Anschließend waren wir mal bei Ilse, welche aber nicht zu Hause war. Dafür war Arthurs jüngste Schwester aus Kassel mit ihrem Kinde da. Sie bleibt vorläufig hier, und soll ich Dich von ihr recht herzlich grüßen. Dann bin ich noch schnell mit Heidi zu Hingst gesaust, und haben wir den Apparat hingeschafft. Kommenden Dienstag bekommen wir die Bilder, und nun halte Du die Daumen, daß alles recht gut geworden ist. Wenn es Dir recht ist, so schicke ich
Weitere Kostenlose Bücher