Bleib uns gesund und behalt uns lieb 01: Briefe und Feldpostbriefe einer deutschen Familie 1928 bis 1946
den Boskopp so gern essen würde. Na, sie redete so lange, bis ich ihr für ihren Adolf einen Apfel gegeben habe. Am Sonnabend kam dann noch Dein Päckchen mit Füller, Bonbon und Batterie. Recht vielen Dank auch für dir letzten beiden. Mutter läßt Dich fragen, was der Füller kostet. Wenn er nicht gar so teuer ist, wäre es Dir möglich, noch für mich einen mit zu besorgen? Mutti wollte nämlich gerne einen haben, und wäre es für sie ein passendes Geburtstagsgeschenk gewesen. Allerdings würde er kaum noch zur rechten Zeit kommen. Meine Schreiberei habe ich nun doch vorhin unterbrechen müssen, kann da eben erst jetzt zum Abend weiter schreiben, nur wird der Brief dadurch einen Tag später ankommen. Tante Ida kam nämlich mit der kleinen Monika angerückt. Obwohl Monika nur sechs Wochen jünger ist, ist zwischen ihr und Heidi gar kein Vergleich zu ziehen. Auch geht sie ziemlich schmuddlig gekleidet. Heidi und ich sind dann mit ihnen noch ein Stück spazieren gegangen.
Am Freitag waren Heidi und ich wieder in der Nürnberger zum Essen. Gänsebrühe und Reis. Heidi hat wieder in der Omi ihrem Bett geschlafen, und ich bin wieder zum Zahnarzt. Anschließend wieder rein und habe Heidi geholt. Ich muß schon sagen daß sie sich sehr wohl drin fühlt. Am Sonnabend Vormittag waren wir dann alle zusammen Tante Gretchen zu ihrem 70. Geburtstag gratulieren. Der Kuchen war noch nicht da, den gab es erst nach 1 Uhr. Haben wir eben eine Buttersemmel verdrückt. Heidi haut bei Schramms auf dem Klavier rum wie ein alter gewiefter Spieler. Mutter ist anschließend gleich zur Bahn und weggefahren. Gestern war ein ganz echter Novembertag, grau und trostlos. Damit man überhaupt mal aus dem Haus kommt, habe ich mich mit Heidi auf den Strom geschwungen und sind zu Mutti gefahren. Vater war ja zur Uraufführung im Neuen Theater ‘Das kalte Herz’. Bei Mutti sah es aus wie Umzug. Alle Stoffe usw. hat sie zusammengepackt und an die Brandmauer gestellt, und ihr gutes Geschirr hat sie in eine Kiste verpackt und in den Keller geschafft. Auch Aida hat ihre ganzen Wertsachen in den Keller geschafft. Beim letzten Angriff ist nämlich wieder Geschirr in den Schränken entzwei gegangen. Gestern Abend stand Heidi plötzlich still in der Stube, drückte, und hatte einen ziemlichen Haufen in der Hose. Dann sagte sie: “Heidi - tutu - Popo”. Ich habe sie aber nicht gehauen, sondern habe sie den Abend über gar nicht weiter beachtet, und ich glaube, das hat mehr gezogen. Heute nämlich, als wir vom Spazieren gehen nach Hause kamen, stand sie im Hausflur still: “lullull” und gleich darauf ein mörderisches Geschrei. Die Pfütze war natürlich zum Hosenbein rausgelaufen und durften wir hinterher im Hausflur aufwischen. Sie hat ganz bestimmt gebrüllt, weil sie Angst hatte, wieder mit Nichtbeachtung bestraft zu werden. Ich habe es aber gut sein lassen, vielleicht war sie ein bissel kalt geworden und konnte sich nicht mehr halten. Ja, kleiner Mann, man hat so seine Nöte, aber natürlich noch viel mehr Freude. Sie spricht alles nach, auch was sie nicht soll. Am Sonnabend habe ich mit ihr Schuhe gekauft, Stiefel und Filzschuh. Frau Kühn bedient uns. “Elli, Elli”, ging es laut. Beim Gehen sagte ich “Auf Wiedersehen, Frau Kühn.” “Kühn - Kühn”, echote Heidi immer. Elli Kühn - Kühn, und sie hat das behalten und erzählte heute noch beim Filzschuh anziehen Elli-Elli-Kühn. Wegen des Schlittens soll ich Dir noch von Mutti sagen, daß Du keinen Schlitten besorgen sollst. Unseren hat Lisa, und soll ich ihn mir holen. Allerdings nur ein Zweisitzer. Was meinst Du? Bei der Vertilgung meiner Bohne im Urlaub will ich Dir gern helfen. Weißt Du, es ist mir nur wegen Deines Herzens. Wegen der Fliegerangriffe lassen wir es jetzt gut sein, kleiner Mann, wir wollen stark sein und auf Gott vertrauen, und nur das Beste hoffen. Tante Anna hat nur ihre zwei Pfund Butter bekommen, und war aber auch zufrieden damit. Weißt Du, von einem bekomm ich Strümpfe für Heidi, und soll da auch noch eine Garnitur für mich bekommen.
Nun ist es nach 10 Uhr geworden, Frau Kürbis war oder besser ist noch oben und haben wir die Rede gehört. Mag nun alles sein wie es will, so habe ich doch mal wieder die Hoffnung auf ein glückliches Ende bekommen. Was bleibt uns auch anderes übrig als zu siegen?
Für heute will ich nun schließen, kleiner Mann. Bleib gesund und behalt uns lieb, wie wir Dich immer lieb haben werden und nimm 1000 liebe Grüße und
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