Bleib uns gesund und behalt uns lieb 01: Briefe und Feldpostbriefe einer deutschen Familie 1928 bis 1946
bei dem fabelhaften Gehalt von 38 M. Was macht eigentlich der Hausbursche für Arbeit bei Euch! Wenn Eure Gäste oben essen, ich weiß ja nicht, wie es dort ist, so nehme ich an, daß die Töpfe hochgetragen werden und das wäre dann Arbeit doch für den Hausdiener. Ich nehme an, daß das überhaupt der Fall ist, wenn nicht, so müßt Ihr es eben so einrichten. Das müßtest Du dann mit der Leiterin vereinbaren. Du hast doch schon in der Küche genug zu buckeln mit den Töpfen. Dein Sylvester Luftballon ist auch noch da und hebe ich ihn Dir fein säuberlich auf.
Liebe Leni! In Zukunft werde ich es so machen, daß ich Dir in jeden Brief ein paar Freimarken mit hinein lege, da wird es mir nicht zu viel und Du brauchst nicht so viel Porto auszugeben. Mir wäre es trotzdem ganz lieb, wenn Du Dir etwas erübrigen könntest, für die erste Zeit wird es freilich nichts werden, denn Du hast das Fahrgeld (worauf ich später noch einmal eingehen werde, betreffs etwaiger Vergünstigungen bei der Bahn) auszugeben. Wie es mit dem Prüfungsgeld wird, wissen wir auch noch nicht, hoffentlich setzt die Arbeit etwas ein. Bis jetzt hat der Papa noch nichts verdient. Er macht jetzt Erikas Mantel. Der Januar ist immer mehr wie schlecht. Da kommt man immer nur in die Schulden. Mit in den Neubau ziehen wird es auch nichts. Da muß man außer der Miete einen Baukostenzuschuß von eintausend Mark bezahlen. Also war es nichts. Was Elfriede Richter mit Dösen gemeint hat, das sind wahrscheinlich die Küchenmädchen. Lisa ist jetzt zu Dr. Steiner gegangen. Sie sieht wieder etwas besser aus und ißt auch etwas besser. Jetzt kann sie nicht mehr so viel in die Stadt rennen mit Herrn Fleischer, da er ja abends später aus dem Geschäft kommt. Sie kann stattdessen sich auf dem Long langlegen und ausruhen und das tut ihr gut. Auch schläft sie vorn und sind meine Betten in der Kammer verwaist. Lisas Federbett lege ich gleich in unsere Schlafstube und komme ich manchen Tag gar nicht in die Kammer hinein. Doch heute war ich drinnen. Habe ein Glas Pflaumen herunter geholt. Es gab heute Klöße und Pflaumen. Gestern gab es Spargel. Er schmeckt so wie der letzte. Das kann alles nicht helfen. Gegessen muß er werden. Es muß überall eben gezerrt werden, das ist eben das fürchterliche, aber es muß durchgehalten werden. Hoffen wir alle auf bessere Zeiten. Soeben kommt Lisa vom Arzt zurück. Er war sehr zufrieden mit dem Resultat und kam sie angestrahlt. Wir freuen uns ja alle mit und Du sicher auch.
L. den 15.1.
Liebe Leni, Fortsetzung folgt heute. Erika hat Dir gestern Abend einen Brief geschrieben. Da es schon sehr spät wieder war, wird sie ihn erst heute Morgen in den Kasten geworfen haben. Heute ist nun die große Kundgebung der ... und heute Abend ein großer Fackelzug. Wenn meine große Wäsche vorbei ist, werde ich einmal nach der Carolaschule gehen und mal nachfragen. Vielleicht kann ich schon etwas Positives erfahren. Es wäre auch besser für Dich. Habt Ihr auch Radio in Eurem Heim und habt Ihr auch gehört?
Anbei die Briefmarken für den nächsten Brief. Das Leiden mit dem Gelde, das haben wir so oft alle, Du nicht allein. Wie muß ich bloß immer ziehen. Ich wünschte, es ginge Dir in Deinem Leben diesbezüglich etwas besser, wirklich, das wünschte ich Dir. Nun, Dein Leben liegt noch vor Dir und hoffen wir das Beste. Wir essen jetzt auch öfter abends warm. Ich glaube, es ist doch billiger wie Brot, Butter und Wurst. Abends braucht Ihr doch schließlich nicht so viel zu kochen wie mittags. Ich glaube, da wird nicht so viel gegessen. Im übrigen wäre es ratsam, Frl. Döbel teilt Euch das Quantum täglich zu, das wäre doch das Beste. Sie kann das evtl. eher berechnen. Arbeit liegt schon etwas vor bei dem Papa. Heute schneidet er ein hellgraues Kostüm zu für ein Fräulein aus Dösen, dann zwei Arbeitsfrontanzüge, aber für den Februar hat sich manches angemeldet. Erikas Mantel ist auch noch nicht fertig. Daß Du Papa und seine Arbeit allabendlich in Deinem Gebete mit einschließt, erfüllt mich mit großer Dankbarkeit. Ich glaube, wir zwei haben verwandte Seelen. Was Du empfindest in Deinem Gebet, das gleiche empfinde ich für Dein Wohl und Wehe in stillem Gedenken am Abend im Bett. Lisa fährt evtl. Ende des Monats mit Herrn Fleischer einmal zum Wintersport. Es wird bereits dunkel und ich kann bald nichts mehr sehen.
Liebe Leni! Also meinen Brief kann ich nicht, wie ich wollte, heute Abend zur Post bringen, da Erikas Brief heute
Weitere Kostenlose Bücher