Bleib uns gesund und behalt uns lieb 01: Briefe und Feldpostbriefe einer deutschen Familie 1928 bis 1946
doch überhaupt nicht mehr fort. Also nun freue Dich auf Deinen Sonntagsbrief. Ich will hoffen daß das Paket recht recht bald gut ankommt, und schicke Dir viele viele Grüße und einen ‘Süßen’
Von Deiner kleinen Lenimaus.
Zigaretten sind vom Vater, Füller wird ...
Köslin, dem 29.9.
Mein lieber kleiner Strolch!
Heute sitze ich ganz allein in unserer Bude. Rank macht sich gerade zum Ausgang fertig und da habe ich viel Zeit, mich wieder mit Dir recht ausgedehnt unterhalten. Nur der Kopierstift taugt nicht viel, deshalb die schlechte Schrift.
So, nachdem ich mit Rank noch ‘Waldeslust’ und ähnliche schöne Lieder zum Ärger unserer Wirtin geschmettert habe, bin ich Rank los und kann mich ungestört dem Schreiben widmen. Hab vor allen Dingen recht vielen Dank, kleine Maus, für das Paket mit dem schönen Inhalt und Brief sowie für Deinen sehr lieben Sonntagsbrief, den ich heute bekam. Ach, kleiner Hase, so ein Sonntag ohne Post ist was Hässliches, aber dafür hatte ich ja heute die Freude. Das Paket kam am Sonnabend an und wurde mir ins Fluko gebracht. Ich habe mich dann gleich selbst für eine Stunde beurlaubt und bin nach Hause auspacken gegangen, denn länger hätte ich es nicht erwarten können. Ich habe mich riesig über alles gefreut und danke Dir vielmals dafür. Aber die Bonbonniere kann und will ich nicht annehmen, kleiner Strolch, die hast Du viel mehr verdient als ich. Ihr habt ja alle fleissig für mich gesammelt und schmeckt alles sehr gut. Die Birnen waren bis auf eine prima und sind schon den Weg alles Geniessbaren gegangen. Das kombinierte Schach-Dame-Spiel ist reizend und am Schluss des Briefes beginnt der Städtewettkampf Leipzig-Köslin. Du hast weiss und ich schwarz, doch mehr davon am Ende. Jedenfalls hast Du mir eine große Freude damit bereitet. Hoffentlich habt Ihr es nun bald mit der Gartenarbeit geschafft, denn Du bist doch auch froh, wenn Du endlich Deine Ruhe hast. Ich freue mich, dass es Dir im Theater so gut gefallen hat. Nach dem Kriege werden wir dann wieder fleissiger ins Theater gehen, hier in Köslin merkt man erst, dass man seine Zeit in Leipzig in dieser Beziehung nicht richtig ausgenutzt hat. Mit dem Alarm bedaure ich Euch sehr, denn bei uns hier ist es schon seit einer Woche ganz ruhig gewesen. Die erste Kompanie, wo Gempe war, ist am Sonnabend nach Russland abgerückt und tut mir Gempe leid. Unsere Leute von Leba kommen nach der Stettiner Gegend und auch unser Kompaniestab in der Kaserne soll nach dort kommen. Wir bleiben noch hier und ist mir das wegen der Selbstverpflegung und dem Privatquartier auch lieber. Jetzt habe ich schnell nochmals Deinen Sonntagsbrief gelesen und Dir zur Beruhigung, alle Post ist eingetroffen. Das mit der ‘Reformtante’ war eine wirklich ulkige Sache. Rank hatte seine Marmelade dort angemeldet und wir unterhielten uns wieder mal über günstiges Einkaufen, und da erzählte ich ihm die Sache mit dem Kunsthonig. Er muß dann mit Frau Ziemer, so heißt die Tante, gesprochen haben, jedenfalls bin ich dann auf Ranks Drängen mal hingegangen und da wir öfter mal was markenlos bekamen, haben wir öfter mal im Laden geholfen, Kisten aufmachen und verpacken. Nun ist bei uns im Fluko eine Helferin, die mit Frau Ziemer sehr gut befreundet ist, sodass wir durch sie erfahren, wenn mal wieder was zu helfen ist. Am Freitag z.B. haben wir sieben Kisten leere Flaschen verpackt und heute habe ich ihr einen Stuhl geleimt. Hoffentlich hält das Biest. Man müsste schon noch solche Beziehungen beim Fleischer und im Buttergeschäft haben. Bei den Bauern ist es momentan mit der Hamsterei aus. Denn jetzt laufen noch Kontrollen der Wehrmacht und die Landjäger herum. Nach Leba habe ich geschrieben, aber noch keine Antwort bekommen. Ich hoffe aber immer noch, etwas besorgen zu können. Da habe ich dann aber viel Zeit Zither zu spielen. Rank hat sich schon nach einer Gitarre umgesehen und da wollen wir tüchtig schrammen. Der Füller kommt mir sehr zu passe, denn mit solchen dünnen Kopierstiften schreiben, strengt mich immer sehr an. Und dass ich eine kleine tüchtige Frau geheiratet habe, weiss ich, Pomuffelkopp. Wie mache ich das bloß wieder mal wett? Als Abschlag zwei Süsse! Einverstanden? und den Rest bringt der Weihnachtsmann. Übrigens kannst Du sehen, was Du für einen unpraktischen Mann erwischt hast. Von der Versicherung wird schon jemand kommen. Lass Dir dann genau sagen, wieviel die Jahresprämie beträgt und was wir zu zahlen
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