Bleib uns gesund und behalt uns lieb 01: Briefe und Feldpostbriefe einer deutschen Familie 1928 bis 1946
ich Dich doch jetzt darauf zu verzichten. Wenn Du durchaus willst, lassen wir unsere Versicherung bei der Barmenia um 1000 M erhöhen? Schreib mir doch mal offen darüber. Frau Berthold ist heute auch wieder angetreten, bleibt aber noch mal weg, denn ehe ihr Mann wieder wegkommt, bekommt er erst noch mal Urlaub. Ihm graut es unsagbar, wieder jetzt nach dem Osten. Das kann ich ihm gut nachfühlen, nach den Berichten der Soldaten, die auf Urlaub da sind, muß es grauenvoll sein. Maschwitz Lotte hat eine Aufnahme von einer Bekannten gesehen, auf der von einer Vorpostenmannschaft oder so ähnlich sämtliche Köpfe abgehackt, auf Fleischhaken in einer Fleischerei aufgespießt waren, die Stahlhelme drauf, und Arme und Beine lose durcheinander drunter lagen. Berthold erzählte, als sie einmal zum Essen holen geschickt wurden, haben die Küchenleute zerstückelt in der Gulaschkanone gelegen. Kleiner Mann, da wollen wir doch froh sein, daß Du wenigstens nicht mit dort bist, auch wenn es für Dich manchmal mehr wie langweilig ist. Ja, und nun nicht mehr traurig sein, nein? Dann ist doch auch bald Weihnachten, und Du kommst auf Urlaub, und Du sollst mal sehen wie schnell die Zeit bis dahin vergeht. Da denke ich gleich wieder an etwas. Hier gibt es überhaupt keine Mandeln und Rosinen. Kannst Du denn nicht mal bei Deiner Reformtante anbohren nach sowas? Ein Stück Zitronat könnte auch ruhig dabei sein. Ich möchte doch so gern ein oder zwei Stollen backen, und da brauche ich doch sowas. Ein Reformgeschäft muß doch sowas an erster Stelle haben. Packe ihr dafür wieder mal ein paar Kisten aus oder klebe ihr ein paar Marken, da wird sie Dir doch sicher etwas verkaufen, denn eine Liebe ist der anderen Wert. Was machen denn Deine Kopfschmerzen? Sind sie weg, und hast Du meinen Rat befolgt und bist fleißiger an die Luft gegangen, denn ich glaube bestimmt, daß es bei Dir daran mangelt. So, nun will ich schließen, ich hoffe doch daß ich Dich mit diesem langen Brief wieder ein klein wenig ausgesöhnt habe. Warst Du denn im Kino? Und was wurde gespielt? Ich möchte auch gern mal wieder gehen, war ewig nicht.
Doch nun Gute Nacht, kleiner Mann, mein Bettzipfel lockt. Bleib mir gesund und nimm viele viele tausend liebe Grüße und Süße
Von Deiner kleinen Lenimaus.
Grüße doch einmal Rank von mir, und vergiß nicht, daß ich Dich tüchtig lieb habe. Hast Du den Brief von Lindström bekommen? Ich habe ihn nicht richtig entziffern können.
Leipzig, den 2. Okt. 1941
Lieber kleiner Mann!
Heute habe ich Deinen lieben langen Brief erhalten und danke ich Dir recht herzlich dafür. Dein nächster Brief wird ja nun endlich mit Deinem geliebten Füller geschrieben, denn ich hoffe nun stark daß Du inzwischen in den Besitz der Zither gekommen bist. Hat sie gelitten, oder ist sie ordentlich angekommen? Ich würde Dir raten, wegen der Pralinen nicht so viele Worte zu machen, sondern sie still und genießerisch zu verdrücken. Befolge meinen Rat, und Du wirst mir danken.
Eigentlich wollte ich ja heute mit Ilse spielen gehen, aber als ich rüberkam und sie abholen wollte, war keiner mehr da. Allein hatte ich nun keine Lust mehr zum Rausfahren und so bin ich wieder nach Hause getrudelt. Nun habe ich Zeit und Ruhe, um Dir Deinen Sonntagsbrief zu schreiben, der doch nun wirklich einmal sonntags ankommen könnte. Auch Dein letzter Sonntagsbrief ist Freitag früh
¼ 7 Uhr in den Briefkasten gekommen, so daß ich wirklich nichts dafür kann, wenn der Brief erst Montag ankommt. Ich muß mir aber auch die Zeit zum Schreiben immer wegstehlen, ich weiß auch nicht was das ist, aber ich hatte jetzt nie Zeit. Dabei möchte ich so gern mal ins Kino gehen, mal sehen, vielleicht morgen. Da will ich aber auch erst mit Mutter Tomatenmark einkochen, damit man was für den Winter hat. Am Sonnabend will ich gern noch mal mit Bambergs spielen gehen, und am Sonntag kannst Du dann an mich denken, ja staune, da gehe ich nämlich aufs Feld Kartoffeln rausmachen. Wenn Du wüßtest, wieviel Lust ich dazu habe, nur ich möchte wirklich wieder einmal einen schönen Sonntag mit Dir zusammen verleben, aber so einen richtigen. Lisa hat für sich und Mutti und Papa Rutenkartoffeln bestellt, und die müssen nun selber rausgemacht werden. Sag, was bleibt mir weiter übrig als mitzuhelfen, auch wenn ich gar keine Lust habe? Na, einst wird’s besser. Gestern mit meinem Besuch war es wirklich sehr nett, und ich hatte mich direkt so gefreut,k als ob ich Geburtstag
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