Bleib uns gesund und behalt uns lieb 01: Briefe und Feldpostbriefe einer deutschen Familie 1928 bis 1946
kommt, muss man dann nach links statt rechts entlang der Strasse gehen. Mit dem Bus fahren ist natürlich dann aus, aber dafür ist es dann etwa sieben Minuten näher zur Stadt. Was dann später wird ist unbekannt, die Latrinenparolen tippen jetzt auf Südfrankreich. Na, wenn es soweit ist, werden wir es ja wissen. Mit der Langeweile hast Du vollkommen recht und seitdem ich nun Unteroffizier-Dienst mitmache, ist es noch viel trostloser, denn erstens sind wir zu jeder Korporalschaft zwei Unteroffiziere und da hat man nicht viel zu tun. Zum Unterricht hört man auch nur zu und bei den verschiedenen Appellen denke ich oft, wie sie mit uns Schindluder getrieben haben und drücke oft beide Augen zu. Seinen grossen Vorteil hat es natürlich, dass man keinen Stuben- und Revierdienst mehr hat, mittags sich zum Essen nicht mehr anstellen braucht und sich etwas mehr als Mensch fühlt, soweit das in der Kaserne möglich ist. Wir liegen hier zu 27 Mann in einem grossen Raum, der in der Mitte durch Spinde getrennt ist, trotzdem herrscht immer viel Lärm, sodass man zum Lesen und Schreiben recht wenig Ruhe hat. Wir haben uns nun aber hinter den Quartiermacher gesteckt, dass wir Flukoleute in unserem neuen Heim ein Sechs- oder Sieben-Mann-Zimmer bekommen. Heute zum Sonntag sitze ich alleine hier, denn alles ist ausgeflogen und damit herrscht wenigstens mal Ruhe. Heute früh habe ich an Rydbergs und Lindström sowie an Mutter geschrieben. Die zwei ersteren Briefe habe ich Dir durch Feldpost geschickt und Du expedierst sie bitte weiter. Die Bilder hebst Du bitte auf. Das feudale Essen fand bei Frau Ziemer statt. Ich habe ihr erzählt, dass ich Dir immer von der Reformtante schreibe, da hat sie mächtig gelacht. Sie will uns nochmals zu Bratkartoffeln einladen und Frau Franke, die bei unserer Bereitschaft am Fluko war, will für uns, d.h. mehr für Rank, denn ich mache mir ja nicht viel daraus, rote Kartoffelpuffer machen. Mehr als vom Essen sind wir doch allemal von der Gemütlichkeit entzückt, die ein nett eingerichtetes Heim mit sich bringt und das wir nach unseren Frauen vermissen. Ich habe mich darüber oft mit Rank unterhalten; wir sind eben in dem Alter, wo man bodenständig geworden ist. Es wird höchste Zeit, dass es bald Frieden gibt. Deinen Appetit kann ich sehr gut verstehen, vielleicht kommt nun noch dazu, dass Du nun für zwei essen musst. Ich schicke Dir deshalb heute meine Marken und nun tue mir bitte den Gefallen und brauche sie auf. Wenn ich auf Urlaub komme, bringe ich ja meine Urlauberkarte mit, und da verhungern wir auch nicht. Spasseshalber anbei eine Aufstellung, denn ich freue mich immer wieder darüber, was ich in der Zeit als Haushaltvorstand hier in Köslin sparen konnte: 950 Gramm Fleisch, 330 Gramm Butter, 310 Gramm Marga, 900 Gramm Zucker, 175 Gramm Marmelade. Bist Du mit mir zufrieden? Nun verwende es aber wirklich für Dich, dass musst Du mir versprechen. Kommst Du denn mit dem Brot aus oder soll ich Dir mal ein Kommissbrot schicken? Nach Deinen ganzen Berichten zu urteilen, scheinst Du doch so ein kleines Baby zu bekommen und wie ich Dir schon in meinem letzten Brief schrieb, sollst Du mir alles schreiben darüber, denn es ist schon bitter für mich, nicht zu Hause zu sein und das alles mitzuerleben. Da will ich wenigstens brieflich alles erfahren und mich mit Dir freuen. Du hast mir zwar noch nicht viel darüber geschrieben, wie es Dir seelisch zu Mute ist und ob Du Dich auch so freust wie ich und der Besuch bei dem Arzt kann doch nur eine Bestätigung sein. Erst habe ich mir auch gesagt, freue Dich nicht zu früh, aber nun glaube ich ganz fest daran und bin ich sehr glücklich darüber. Ich bohre jetzt schon wegen Urlaub, damit ich dann im Mai evtl. wieder fahren kann. Siehst Du, auch ich habe doch so grosse Sehnsucht nach meinem kleinen Kameraden und da wollen wir uns wenigstens brieflich alles erzählen. Mich langweilt keine Zeile Deines Briefe und musst Du mir jedenfalls auch alles schreiben, was unser (oder Deins?) Baby betrifft.
Von der Raucherkarte habe ich gelesen; bitte kauf doch auf eine Karte Zigarren, die wir Weihnachten dem Meester schenken können, denn wenn ich von Vater ab und zu Zigaretten bekomme und auch von Rank habe ich vorläufig genug. Auch hier in der Kaserne ist alles eingeschränkt worden, aber wie gesagt, ich komme schon aus. Mit Räucherwaren ist es hier auch ganz knapp und seitdem wir wieder in der Kaserne liegen, verliert man ganz und gar den Kontakt. Wir haben jeden
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