Bleib uns gesund und behalt uns lieb 01: Briefe und Feldpostbriefe einer deutschen Familie 1928 bis 1946
Goldacker ging vor einigen Tagen drüben vorüber. Ich denke wenigstens, daß sie es war. Es war früh ½ 8 Uhr. Hat sie nicht einen halben Mantel und eine braune Mütze schief auf. Sie guckt wenigstens nach unserem Fenster und da dachte ich, das muß Fräulein Dr. Goldacker sein. Erika und Gretel wollen nach dem Schwarzwald fahren in die Ferien. Hoffentlich können wir zwei auch mal in die Ferien fahren. In Frage käme nur eine billige Fahrt von ungefähr 25 Mark. Habt Ihr überhaupt schon einmal über Eure Ferien gesprochen? Nach Pfingsten müßt Ihr das nun tun. Sonst bekommt Ihr schließlich gar keine. Was macht denn Deine Nase? Hoffentlich ist es nicht so schlimm geworden. Nimmst Du denn noch ...pillen. Ich mache jetzt wieder eine Zitronenkur, so gut wie die letzte bekomm sie mir nicht. Ich müßte aber wieder etwas tun. Meine Hände sind schon wieder etwas besser, nur der eine Finger streikt noch etwas. Aber es wird schon noch werden.
Sonnabendmorgen
Liebe Leni, guten Morgen. Ich möchte jetzt erst einmal meinen Brief beenden und dann Dein weißes Kleid ausbessern. Ich schicke Dir auch das blaue mit und die eine Bluse, wenn Du letztere zum Kostüm nicht mehr tragen magst, so zieh sie werktags mit an, sie ist schön leicht. Soeben sehe ich, daß ich gestern Abend die vierte statt dritte Seite begonnen habe. Es war aber auch kein Wunder, denn sonst wäre ich fertig geworden. Erst kam die Gretel, dann Erika, dann Maschwitzens Lotte, da ging es laut her. Lotte buk Kuchen und dann wollte sie auch an ihre Mutter schreiben, was natürlich nicht zustande kam, denn da übertönt eins das andere. Lisa kam dann auch noch. Sie war vorstellen gewesen bei Schade & Füllgrabe. Sie hätte dort auch Aussicht, aber die Stelle ist per 1. Juni. Ich weiß nun nicht, was sie macht, ob sie ihren Chef fragen wird. Der wird sie nicht gern weglassen, und im Grunde genommen ist überall etwas anderes, was einem nicht zusagt, hier das, dort jenes. Ist es nicht so? Anbei schicke ich Dir noch die übrigen Filme und das eine Bild, nein, auch die anderen vom Zuntzelchen werde ich nach Kiel schicken. Du kannst mir aber gern wieder eins zuschicken, wenn Du magst. Als Paßbild paßt wohl auch keines. Vielleicht kann Dich Herr Helm einmal knipsen, aber ja nicht im grauen Kleid, im roten oder blauen und bitte recht freundlich.Vor unseren Fenstern, d.h. drüben, blüht jetzt der Flieder. Wie weit ist bei Euch der Frühling? Ich werde morgen wahrscheinlich schon vormittags nach dem Friedhof zu meiner Mutter einmal gehen.
Nun sei recht herzlich gegrüßt und einen lieben Kuß von
Deiner Mutter
Papa, Lisa und Erika lassen auch herzlich grüßen.
Mai 1935
Liebe Leni!
Herr Helm war gestern hier, ich war aber noch nicht so weit. Er kommt heute noch mal mit vorbei und nimmt die Kleider mit. Frl. Töpel habe ich heute, d.h. gestern, eine Karte geschrieben. Hoffentlich ist sie auch heute angekommen. Nun paß mal auf. Erstens Dein Kleid und Bluse. An der Bluse entdeckte ich vorn beim Plätten noch ein paar Oelflecke, aber es wird schon gehen. Dann habe ich Dir das weiße Kleid von Erika zurecht gemacht, ob es nun was Rechtes geworden ist, weiß ich nicht, wenn nicht, im Hause wird es schon gehen. Ich habe es länger gemacht und auch je eine Falte herausgenommen, die Ärmel etwas weiter gemacht und einen breiten Gürtel dazu, den schmalen lege ich bei und das dritte für die Arbeit, ich denke, das geht ganz gut so mit den Blusen. Den Gürtel an den Blusen habe ich weggeschnitten und die Ärmel damit länger gemacht und unten habe ich die Ärmel aufgeschnitten, Du weißt, Not macht erfinderisch. Ich mache Dir noch von Lisa das zurecht, aber heute nicht mehr. Am Mittwoch konnte ich noch gar nichts machen. Meine Hände waren noch so dick, aber nun sind sie wieder gut. Wir konnten uns, Papa nämlich auch, kaum noch schleppen, doch nun ist alles wieder im Lot und geht alles seinen Fortgang. Lauft in Dresden nur nicht so viel herum bei dieser Bullenhitze, sondern setzt Euch an den kühlen Elbestrand, überdies wünsche ich Dir und Herrn Helm einen schönen frohen Sonntag.
Nun sei recht herzlich gegrüßt von uns
Deine Mutter
Leipzig, den 15.8 35
Meine liebe Leni!
Ich will nur heute immer beginnen, damit Du Deinen Sonntagsbrief beizeiten erhältst. Ich kann mal wieder nicht verstehen, daß Du den Brief, den Dir Lisa geschrieben hat, erst am Montag bekommen hast. Sie hat denselben im Geschäft geschrieben und am
Weitere Kostenlose Bücher