Bleib uns gesund und behalt uns lieb 02: Briefe und Feldpostbriefe einer deutschen Familie 1928 bis 1946
den 28.6., nach Dresden gefahren. Der Zug war sehr voll, es wurde aber in Leipzig ein Wagen angehängt und bekam ich einen Sitzplatz. Tante Bertha war nicht zu Hause und habe ich meine Sachen bei der Nachbarin abgegeben und bin Essen gegangen. Als ich dann um 2 Uhr wieder zurückkam, war Tante da. Sie ist auch nicht so auf dem Posten, aber trägt immer noch die Zeitschriften aus. Auch am Nachmittag ist sie losgegangen. Ich bin nach Heidenau gefahren und habe mir Blumen für Ellis Grab gekauft. Am Donnerstag früh ¼ 6 Uhr ging der Zug nach Großschweidnitz und war ich ¼ 9 Uhr dort. Ich bin zur Verwaltung und wurde mir gesagt, daß der Friedhofspfleger mir die Grabstelle zeigen würde. Ich traf ihn auch an und bat ihn mir Ellis Grab zu zeigen. Ich sollte einen Augenblick warten. Er kam lange nicht, schaute wohl mal zur Tür heraus, verschwand aber wieder. Mir schwante nichts Gutes, aber was ich nachher sah, war für mich nicht schön. Endlich kam er, sagte, ich hätte doch schreiben sollen, was ich doch getan hatte, als ich das Geld für die Pflege einschickte. Du sahst überhaupt kein Grab oder eine Andeutung. Nur festgetretener Boden und alles lief darüber hin. Der Pfleger nahm ein Bandmaß und maß damit. Er steckte ein Stück Holz und sagte: „So, hier ist das Grab.” Ich wußte wirklich nicht, wie mir geschah. Er hat dann an dieser Stelle den Boden aufgehackt und geharkt, dann hat er mir die Blumen eingepflanzt, und hat mir noch einen Strauß weißer Nelken besorgt und in einer Vase hingestellt. Mir war sehr weh zu Mute, und so schrecklich allein. Es wird wohl noch ein Dreivierteljahr vergehen, ehe die Gräber fertig sind. Wenn es so weit ist, sehen ja die Gräber sehr nett aus, aber ganz so lieblos brauchte es auch jetzt nicht zu sein. Ich habe dann mit dem Pfarrer gesprochen. Er sagte, es tue ihm leid. Ich solle ihm schreiben, wenn ich irgend etwas wünsche, er würde dafür sorgen, daß alles besorgt würde. Ich bat ihn, daß die Stelle schon dieses Jahr gepflegt würde. Nun will ich ihm nochmals schreiben, schicke ihm 10 Mark mit der Bitte jede Woche einen frischen Strauß darauf zu stelle. Nun mache ich mir Gedanken, ob ich Elli hierher hätte überführen lassen sollen. Hatte es doch aber gut gemeint, Hier zerschlagen sie die Friedhöfe und dort ist Ruhe. Mit Vater kann man ja nicht reden, als ich ihm erzählte, sagte er, er hätte ja gleich gesagt, ich solle nicht hinfahren, da habe ich gar nichts mehr gesagt. Darum habe ich auch Dir nicht gleich geschrieben, ich mußte erst mit mir einig werden. Ich bin dann um 12 Uhr wieder nach Dresden gefahren. Von Tante Bertha soll ich Dich vielmals grüßen. Ich bin bis Sonnabend bei ihr geblieben. Vater kam am Freitag Abend. Als ich übrigens an Ellis Ruhestätte war, kam Alarm, aber dort geht niemand in den Keller, alles arbeitete weiter.
Am Donnerstag Abend hörte ich, daß die Tommys in Leipzig gewesen seien. Ich hatte gar keine Ruhe, wäre am liebsten heimgefahren. Über diese Sache wird Dir ja Leni geschrieben haben.
Am Sonnabend sind wir nach Cossebaude. Wurden freundlich aufgenommen. Tante Selma geht es auch nicht so gut, Onkel Karl hat es auch nicht leicht, denn Tante merkt gar nichts mehr, und verwechselt alles. Siegfried und Margarete sind jetzt in Dresden und Hilde wurde für acht Wochen auch zu Hause erwartet. Nun bin ich froh, daß ich wieder zu Hause bin und mein Kerlchen wiederhabe. Wie trostlos würde das Leben sein ohne das kleine Ding. Leni, Gretel und Toni waren heute Abend im Kino ‘Immensee’. Es sei sehr schön gewesen. Leni schreibt Dir morgen. Toni und Gretel fahren morgen wieder nach Saaz und Leni will bis Oschatz mitfahren, einen Korb Erdbeeren zu dem Schneidermeister, wo Vater Jentzsch gearbeitet hat, hinschaffen.
Mein lieber Junge ich will für heute schließen. Bleib mir gesund und behalt mich lieb. Viele liebe Grüße von Vater und mir, und einen Kuß.
In aller Liebe Deine alte Mutter.
Grüße von Leni und Heidi.
d. 2.9. 44
Meine liebe Leni und mein liebes Heidikind!
Deinen lieben Brief vom 30.8. habe ich mit vielem Dank erhalten, auch Dein liebes Paket ist gut angekommen. Dafür besonders vielen Dank. Es waren von den Birnen drei schlecht, sonst alles in gutem Zustand. Den Empfang der Lebensmittelmarken hattest Du mir nicht mitgeteilt, wenigstens habe ich nichts bekommen.
Es tut mir sehr leid, mit Gretels Bruder, und ist das keine so leichte Aufgabe, es Mutter und Frau zu sagen. Sag mal, welcher Art ist denn
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