Bleib uns gesund und behalt uns lieb 02: Briefe und Feldpostbriefe einer deutschen Familie 1928 bis 1946
allgemein.
Mein lieber Junge, für wen sollten wir denn Geld ausgeben, wenn nicht für die Menschen, die Dir das Liebste sind. Ich muß immer recht an Elli denken, daß man ihr nichts mehr zu Liebe tun kann. Es ist mir jetzt wieder mal recht schwer zu Mute. Ich fahre am 29.6. zu Ellis Grab, Vater kann nicht so lange mit, er will dann aber zu Onkel Karl kommen. So werde ich allein bei ihr sein. Aber ich sehe ein, daß es nicht anders geht, denn er hat, wenn wir heimkommen, gleich wieder Arbeit von der Straßenbahn zu holen. Ich werde wohl eine Nacht in Großschweidnitz übernachten. Hoffentlich bekomme ich für Elli recht schöne Blumen.
Es ist recht bös, daß jetzt Urlaubssperre ist, da müssen wir noch länger auf Dich warten. Es ist nur gut, daß wir am 1. Mai nach Elster sind, denn die Moorbäder werden gesperrt, und die sind ja für Vater und Leni die Hauptsache. Morgen gehen Vater und ich zum Arzt, wollen mal hören, was er sagt. Bei mir wird es wohl nicht so rasch gehen, war ein bissel zu sehr fertig. Vater fühlt sich soweit wohl. Nur schade, daß die Zeit bald um ist, ich möchte gar nicht mehr nach Leipzig. Es ist zu schön, wenn man sich so unbeschwert zu Bett legen kann. Das Wetter war jetzt auch mal wieder nicht schön, aber seit zwei Tagen ist es wieder herrlich. Wir haben darum heute auch einen Spaziergang nach Mühlhausen gemacht. Haben Frau Rank besucht und sind von ihr sehr freundlich aufgenommen worden. Sie bewirtete uns mit Kaffee, Honig (Bienen) und Wurstbroten. Es hat uns sehr gut geschmeckt. Wir sollen Dich vielmals grüßen. ... Er ist noch nicht Feldwebel. Gesundheitlich geht es ihm augenblicklich nicht so ganz gut. Wahrscheinlich Nieren und Galle. Er will zum Arzt gehen. Schreib ihm nur bald einmal.
Ich bin ganz überrascht, daß Du unter die Boxer gegangen bist. Es ist nur gut, daß Dich Dein Gegner nicht kaputtgeschlagen hat. Morgen werde ich Dir ein Päckchen mit Zigaretten schicken. Hoffentlich bekommst Du sie. Morgen früh fährt nun Leni nach Saaz um ihre Kleider zu holen. Hoffentlich bekommt sie dieselben. Ich bin neugierig, wie sie Grete vorfindet. Leni kommt dann am Sonntag zurück, da sie Montag wieder früh baden hat. Die Zugverbindung ist nicht so günstig. Na, darüber wird sie Dir wohl selbst schreiben.
Wie denkst Du denn darüber, wann der Krieg nun zu Ende geht? Müssen so viel Menschen darunter leiden. Gar keine Aussicht auf ein Ende. Wer weiß, was uns alles noch bevorsteht. Bleib mir recht gesund, das kann ich Dir nur immer wünschen.
Jetzt will ich nun zum Schluß kommen. Von Vater und mir recht viele Grüße. Auch von Leni und Heidi und einen Kuß von
Deiner alten Mutter.
E.O., den 21.5. 1944
Meine liebe Mutter!
Jetzt habe ich ja allerhand Post von Dir daliegen und danke ich Dir, dass Du und Heidi so fleissig und lieb an mich geschrieben und gedacht habt. Deine Karte vom 16. und Brief vom 15. trafen am Freitag und der Brief mit dem Bauvertrag heute zum Sonntag ein. Eigentlich wollte ich erst heute Abend schreiben, da ich mich um 2 Uhr nach der Parole wieder hingelegt hatte, aber so gegen ½ 4 Uhr hörte ich plötzlich den Chef mit dem Abteilungskommandeur die Stuben durchgehen. Und richtig, kaum war ich aus der Falle und hatte sie etwas in Ordnung gebracht, als sie auch schon bei uns in der Stube waren. Na, und dann lohnte es sich nicht, nochmals hinzulegen und da fange ich jetzt gleich an mit dem Schreiben. Hoffentlich sind nun auch die Brotmarken angekommen, damit Ihr wieder was Zusätzliches habt. Wegen der Butter kann ich erst hier reklamieren, wenn Leni mir die Duplikatfrachtbriefe schickt. Sag ihr bitte, dass heute das Briefchen mit den M 60.– eingetrudelt ist und vorläufig recht vielen Dank; nun habe ich wenigstens die Pistole und wenn ich mal ausgehe, brauche ich mir wenigstens keine mehr zu leihen, denn mit dem Karabiner bringt mich niemand in die Stadt. Es freut mich sehr zu hören, dass Heidi so brav ist, es ist nur bitter, dass ich bis auf paar Drops gar nichts für ihren Geburtstag habe, das muss man eben nach dem Krieg aufholen. Euer Tagesablauf ist ja nicht übel und drücke ich immer die Daumen, dass Ihr dabei recht schönes Wetter habt. Strengen Dich die Bäder recht an und fühlen Du und Vater Euch schon wohler? Heidi scheint sich ja nach ihrem Eifer beim Beifall spenden zu einer kleinen Sachverständigen auszubilden. Hält sie auch die Mittagsschläfchen ein, oder stört sie da Euch dabei? Es ist nur zu schade, dass die Zeit
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