Bleib uns gesund und behalt uns lieb 02: Briefe und Feldpostbriefe einer deutschen Familie 1928 bis 1946
oben zwei Treppen in Frau Wurzeckers Wohnung. Frau W. ist vor zwei Jahren gestorben und die Tochter, welche in Leipzig in Stellung ist, behält diese Wohnung. Sie kostet monatlich nur zehn Mark und hat Stube, Kammer und Küchenraum. Zwei Betten sind da, Papa schläft auf dem Sofa, Leni mit Heidi zusammen. Es ist schön so, man muß auch einmal allein sein können und zweitens kann man Onkel und Tante nicht immer auf der Pelle liegen. Es ist alles sehr primitiv, aber das macht nichts, nur der Ofen könnte ein bißchen besser heizen. Es ist ein Stubenofen zum Kochen, aber ausgefeuert, elektrisches Licht ist auch oben, Wasserleitung jetzt auch.
Mit meinem letzten Brief wird es schon stimmen, ich habe einmal nur einen Bogen geschrieben, auf das andere, was Du schreibst, wo ein Stück herausgeschnitten ist, kann ich mich tatsächlich nicht besinnen. Ich bin nun mehr wie vergeßlich geworden und das wird sich auch nicht gleich ändern. Die Nerven haben bedenklich gelitten, aber sonst Essen und Trinken schmeckt wieder, soeben brachte mir Tante Emma wieder vier Eier. Sie sind gut zu uns, auch Onkel Hans. Einen Brief von mir hat ja Heinz mitgebracht, daß er Dir nicht geschrieben hat, darüber darfst Du Dich nicht wundern, Männer, die eine Frau haben, sind alle schreibfaul, denkst Du, Du hättest Post von Papa nach Südamerika gekriegt, wenn ich nicht geschrieben hätte? Die Südamerikabriefe mit ihren schönen Berichten und Marken, die Du einmal wiederhaben solltest und dem Terrorangriff zum Opfer gefallen sind, tun mir in der Seele leid. Es wäre ein so schönes Andenken für Deinen Jungen gewesen und da gibt es so viele liebe persönliche Dinge. Für Ulimann werden wir schon wieder etwas zusammenbringen, auch bettle ich Tante Emma an. Daheim hatte ich schon zwei zugeschnittenen Hemden für ihn und verschiedenes in einem Karton verpackt. Futsch ist es! Freilich wachsen die Kinder heraus, zusehends sogar. So auch Heidi. Sie ist groß und kräftig, verfügt über einen guten Appetit und spricht sehr viel und auch sehr gut, besser wie ihre Mama. Bei ‘Mutti’ betont sie die ‘tt’ sehr gut. Nun, das wirst Du ja selbst sehen, wenn Du kommst. Im Sommer könntest Du es mit Uli schon ...., das wäre schön. Wenn wir dann noch kein Heim haben, so bleibst Du bei Lisa oder bei Leni. Das Päckchen, wo Rosinen mit drin waren, hatte mir Lisa mit nach hier gebracht, wir nehmen es wieder mit nach Leipzig zurück. Bohnen hätte ich ganz gern einmal, Erbsen bekommen wir schon einmal, auch im Garten werden dann welche. Das Küchenmesser ist prima, ebenso der Schäler. In den schwarzen Stoff laß nur nicht die Motten hineinkommen, leg Zeitungspapier dazwischen. Wie unsere neue Wohnung aussieht? Nun wenn man zur Tür hereinkommt, steht links ein schwarzes Reformbett, dann kommt eine Glastür, Verbindungstür, da ist die Wand voll, die hintere Wand nimmt ein moderner Schrank ein und ein schönes Chaiselongue mit Decke und Kissen. Die dritte Wand hat ein modernes Fenster und rechts von der Tür steht ein weißer Schrank für unsere Sachen. In der Mitte Tisch und Stühle, Lampe, alles modern, auch ein Teppich. Den werde ich aber herausnehmen lassen, denn wo man schläft, ist ein Teppich alle Tage sauber zu machen und das kann ich nicht. Also das wäre vorläufig unsere Wohnung. Inhaber ist nicht anwesend, nur oben drüber wohnt die Schwester, sowie bei Kunads. Den Ulimann vergessen wir nicht, Du brauchst da keine Angst zu haben. Schön wäre es gewesen, wenn er in die alten Räume hätte kommen können, ich glaube, er hätte sich gleich am Arbeitstisch heimisch gefühlt. Gesundheitlich geht es soweit, essen und trinken schmeckt wieder, Tante Emma hat auch immer mal Äpfel für uns, nachdem die unseren in der Tiefe verschwunden sind. Vielleicht kann ich für Uli etwas rotkariertes bekommen, kannst Du denn nicht von dem blaukarierten, was ich für den Sportwagen gedacht hatte, etwas machen, das hält doch, es ist Leinen.
Betreffs meiner Wäsche habe ich noch nichts unternommen, bis jetzt bin ich ja immer zu Gaste gewesen, da brauchte ich ja nichts. Hans schickt mir und Papa ja einen Füller, eine Tischlampe hat Lisa auch besorgt.
Anbei die Adresse von Hans: Unteroffz. Hans Helm, L.43289, Lg. P.A., Amsterdam über Bentheim. Die Adresse von Walter ist: Obergefreiter Walter Bohn, Feldpostnr. 14733, A. Die beiden Soldaten würden sich bestimmt sehr freuen, wenn sie von Dir einmal einen Gruß, dazu etwas Rauchbares bekommen würden.
Nun kommt
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