Bleib uns gesund und behalt uns lieb 02: Briefe und Feldpostbriefe einer deutschen Familie 1928 bis 1946
zu dem eigentlichen Zecke eingesetzt, sondern haben Bäume gefällt für unser Brennholz, einmal haben wir bei einem Bauern Möhren mit herausgemacht, aber die Entlohnung war zu schlecht. Und dann haben wir die äussere Umgebung unserer Baracke etwas in Ordnung gebracht. Aber seit heute sind wir mit dem Bau einer längeren Telefonleitung beschäftigt und macht das mehr Spass, obwohl es jetzt ganz schön kalt ist. Am vorigen Sonnabend war ich baden und hatte da ein nettes und für mich erfreuliches Erlebnis. Nach dem Baden sass ich noch in der Badeanstalt und drehte mir eine Zigarette von meinen Kippen. Als Zigarettenpapier benutzen wir das Lokuspapier, was uns der Tommy liefert. Ein Ehepaar sass neben mir und plötzlich bot mir der Mann eine Zigarette an und wir kamen dadurch ins Gespräch. Ich fragte den Mann, ob er mir nicht sagen könnte, wo ich etwas zu lesen und eine Konzertzither herbekommen könnte. Zufällig war dieser Mann Leiter des hiesigen Informationsbüros im Rathaus und nachdem ich ihm unseren Mangel an Zerstreuung geistiger Art erzählt hatte, bestellte er mich auf nachmittags 4 Uhr in seine Wohnung. Dort bekam ich dann zehn Bücher, acht Kartenspiele, drei Damespiele. Ausserdem hab ich noch Kaffee dort getrunken, noch ein Stäbchen und eine kleine Dose mit Tabak bekommen. Heute war ich auf dem Rathaus und leitet die Stadt in den nächsten Tagen eine Bücher- und Instrumentensammlung unter besonderer Nachfrage nach einer Konzertzither ein. Ich bin gespannt, was dabei herausspringt. Am gleichen Tage hatte ich noch eine schwedische Flagge hängen sehen und bin ich dahin gegangen um zu hören, was es damit für eine Bewandtnis hat. Es ist ein Herr Kachmann aus Schweden, aber persönlich habe ich ihn noch nicht kennengelernt. Die Familie, wo er wohnte, war sehr nett und hat alles, was an schwedischen Zeitungen da war, mitgegeben und die Woche war ich schon wieder dort und habe andere Zeitschriften geholt. Herr Kachmann will mir noch mehr besorgen. Sonst ist hier nicht viel los. Ein Tag vergeht wie der andere. Ueber Nienburg schreibe ich das nächste Mal etwas. Für heute will ich mal wieder Schluss machen, denn jetzt kommt die Meute vom Tanzen zurück und da ist es mit der Ruhe aus.
Dir, kleine Frau, recht viele liebe Grüsse und Küsse, das Gleiche dem Heidikind. Ebenfalls viele herzliche Grüsse an die Eltern und alle anderen.
Dein Dichliebender Hans.
Leipzig, den 19.11. 1945
Mein lieber alter Strolch!
Hast Du nun mein erstes Lebenszeichen und meinen langen ausführlichen Brief erhalten? Ich schätze, daß Du es gestern zum Sonntag, spätestens heute zum Montag bekommen mußtest, damit nun auch Du endlich Klarheit über uns hast.
Am Sonnabend, gerade als ich in der Wanne saß, brachte mir Heidi Deinen Brief aus Rhade und danke ich Dir auch dafür herzlich. Du hast also an Maja geschrieben. Vielleicht wollen sie nichts mehr von uns wissen als Deutsche, weil sie Dir nicht geantwortet haben? Wir von hier aus können ja gar nicht nach dem Ausland schreiben und wundert es mich, daß Dir diese Briefe abgenommen worden sind. Heute kam nun auch Deine Karte vom 10.11. gleichzeitig mit Mutters Karte an. Auch dafür herzlichen Dank. Da hast Du also wieder zwei nette Familien kennengelernt. Da freue ich mich mit für Dich, kleiner Mann. Vielleicht hast Du wieder so Glück wie in Köslin. Was sind es denn für Leute? Schon wenn Du immer mal eingeladen wirst, und in ein gemütliches Heim kommst, wird eine große Wohltat für Dich sein. Auch Deine Wonne im Wannenbad kann ich verstehen. Bekommst Du dort die ‘Berliner Illustrierte’ zu kaufen? Wenn nicht, soll ich sie Dir hinschicken? Du hast wohl eine barmherzige Seele gefunden, daß Du hast ins Kino gehen können? Hast Du meine 10 M erhalten? Hier schicke ich Dir einen Brief von Deinem Heidikind mit vielen lieben Grüßen mit. Ihre Zeichnungen bekommen jetzt schon ein bissel Sinn, während Ulli noch Krikel Krakel macht. Diese Nacht hat sie mich wieder mal in meinem Bett besucht. Sie kommt ohne ein Wort zu sagen reingeklettert und legt sich einfach neben mich. Nur bin ich dann hinterher immer wie zerschlagen, denn ein richtiges Schlafen ist so nicht. Heute früh frug ich sie: “Warum bist Du denn die Nacht in mein Bett gekommen?” Antwortet mir Heidi: “Weißt Du, weil Du so ganz allein in Deinem Bett warst.” Am Freitag waren wir nun bei Helenchen zum Geburtstag. Es ist jetzt schon ganz gemütlich bei ihnen. Gestern Nachmittag war ich noch mal
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