Bleib uns gesund und behalt uns lieb 02: Briefe und Feldpostbriefe einer deutschen Familie 1928 bis 1946
bedeutend besseres Essen. Die Kartenlegerin hat mir ja gesagt, daß Du bald nach Hause kommst und die muß es ja wissen. Sie hat aber auch gesagt, daß es Dir erst nicht so gut geht, und daß Du Dir sehr viel Sorgen machst, daß ich dann einen Brief von Dir bekomme, daß Du dann arbeiten mußt und es Dir dann sehr gut geht, und zum Schluß, daß Du bald kommst. Ja, diese Kartenlegerin ist jetzt große Mode, und man kann es den Frauen nicht mal übelnehmen, wenn sie in ihrer letzten Hoffnung den Weg nehmen. Jetzt kommt Heidi mit Karin zurück und ist es aus mit der Ruhe.
Nimm nun für heute recht viele liebe Grüße und Süße auch vom Heidikind
Deine Leni.
Schlicht, Holtensen über Elze in Hannover (Schule)
Nienburg, den 24.11. 45
Meine liebe kleine Lenifrau!
Das war heute eine grosse und freudige Ueberraschung, als ich aus der Stadt kam und Dein lieber Brief mich erwartete. Mit grossem Zögern habe ich ihn geöffnet, denn ich wusste ja nicht, was er enthalten würde, aber nun hab ich ihn mindestens schon achtmal gelesen und freue mich immer wieder darüber. Hab recht vielen Dank, kleine Frau, für Deine lieben Zeilen und ist es mir bedeutend leichter zu Mute, wenn Ihr wohl auch noch Eure Sorgen habt, aber ich weiss wenigstens, dass Ihr noch am Leben und den Zeiten entsprechend gesund seid. Nun wird wohl auch des öfteren ein Brief von Dir und Mutter eintreffen, wie ja auch von mir nun laufend Post bei Dir eintreffen wird. Ja, nun wollen wir nur hoffen, dass ich bald nach Hause kann, obwohl die Aussichten nicht gerade rosig aussehen; aber habe ich im Grossen und Ganzen die letzten fünf Jahre Glück gehabt, so wird es wohl auch in dieser Beziehung schon klappen. Sehr enttäuscht bin ich, dass Du nur einen Brief von mir aus dem Gefangenencamp erhalten hast, obwohl wir des öfteren geschrieben haben, aber dieser Zustand ist ja nun vorbei. Weisst Du, es ist so schön zu wissen, dass es jemanden gibt, der auf einen wartet. Im Camp habe ich die erste Zeit jeden Tag unsere Fotos angesehen, aber als dann im Juli die ersten aus der englischen Zone heimfuhren und wir aus der russischen wussten, dass für uns vorläufig kein Heimfahren infrage kam, da habe ich das Ansehen lange Zeit unterlassen, denn die Hoffnungslosigkeit brachte es mit sich, dass die Sehnsucht nach Dir und dem Heidikind bei dem Bilder anschauen nur immer grösser und mächtiger wurde und man dann für seine nähere Umgebung ungeniessbar wurde und dazu die Ungerechtigkeiten seitens der deutschen Lagerführung machten die Gefangenschaft zu einer Qual. Na, das alles ist ja jetzt überstanden und das letzte Hindernis werden wir auch noch schaffen. Drück nur mal das Heidikind recht derb für mich und sag ihr, dass die Engländer den Vati nicht hungern lassen und tun sie ihm auch nichts zu leide. Es ist wirklich lieb von ihr, dass sie sich so um mich sorgt. Kleine Frau, da hast Du ja allerhand gelesen, denn es hat sich ja allerhand gesammelt, aber auch ich werde dies noch einmal tun, zumal der ganze Briefwechsel über die Hälfte unserer Ehe umfasst.
Leider hast Du mir die Anschrift von Heinz nicht mitgeschrieben; von uns fährt des öfteren ein Wagen nach Hildesheim, ausserdem kann ich auch mal Wochenendurlaub einreichen und mit der Bahn mal hinrutschen. Ist denn Erie und der Bub, den Namen hab ich tatsächlich vergessen, auch mit dort. Wenn Du mir die genaue Anschrift geschrieben hast, werde ich eine Karte hinschicken und den nächsten Sonnabend hinfahren. Mutter wird nun wohl auch mal schreiben. Ihr und dem Helenchen besonders liebe Grüsse und sollen sie einen Extrakuss bekommen, wenn ich nach Hause komme. Was Du über Krolls und Leidls schreibst, ist etwas, was ich überhaupt nicht erwartet habe. Wie kommt es denn, dass sie gerade nebenan zogen? Sind sie ausgebombt und durch wen sind sie unsere Nachbarn geworden? Hast Du inzwischen etwas von Gretel gehört? Sie wird jetzt auch ihre Sorgen haben und es auch nicht leicht haben.
Um mich brauchst Du keine Sorgen zu haben, denn gesundheitlich bin ich auf dem Posten. Seitdem ich hier bin, fresse ich für drei und hab schon allerhand aufgeholt. Allerdings gehen wir oft bei Bauern und Bäckern fechten, denn das Brot ist bei unserem Appetit nicht ausreichend. Hoffentlich habt Ihr es nicht allzu knapp. Hier hört man so viele sich wiedersprechende Sachen in Punkto Verpflegung in der russischen Zone, sodass man überhaupt nicht weiss, woran man ist. Vielleicht gibt mir einer Deiner nächsten Briefe
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