Bleib uns gesund und behalt uns lieb 02: Briefe und Feldpostbriefe einer deutschen Familie 1928 bis 1946
mehr schicken, aber ich kanns leider nicht. Unsere Versicherung ruht vorläufig auch, was wird, weiß ich noch nicht. Ich bin mit Heidi aber in die Krankenkasse bei der Barmenia gegangen, da wir durch Dich ja nichts mehr bekommen. Kostet auch 8 M im Monat. Ich halte das aber für besser so, denn man weiß nicht, was mal kommen kann. Vater war in diesem Jahr auch wieder fünf Wochen in Elster zur Kur. Er läßt sich durch nichts abschrecken. Ihm geht es soweit gut.
Und nun will ich aber für heute meinen ersten Brief beenden, ich hoffe, daß er Dich beruhigt, und auch ein klein wenig Freude macht. Sorgen sollst Du Dir auf keinen Fall machen, denn das ist nicht nötig. Bleibe uns recht gesund, und laß bald wieder hören und nimm für heute recht viele liebe Grüße und einen Kuß auch vom Heidikind
Deine Leni.
Laß Dir Deine Zigaretten recht gut schmecken. Wir bekommen überhaupt keine mehr, und die Männer mal zehn Stück für unbegrenzte Zeit. Es geht aber auch.
Freitag hat Mutti Geburtstag und sind wir da draußen.
Mein lieber Junge!
So, jetzt sind wir mit dem Mittagessen und Aufwaschen fertig, und da will ich Dir noch ein paar Zeilen schreiben. Du kannst Dir gar nicht denken, wie ich mich über Deinen Brief an Leni gefreut habe und wie dankbar ich über die Nachricht von Dir war. Es war eine schreckliche Zeit, wenn man so wartet, aber nun ist es ja gut und freue ich mich, daß es Dir so halbwegs gut geht. Hoffentlich erholst Du Dich bald. Es wird Dir wohl auch so lieber sein, da Du arbeiten kannst, warst doch immer tätig. Vater freut sich auch und läßt Dich grüßen. Sobald ich weiß, ob Du mehr Post bekommen kannst, schreibe ich Dir wieder und schicke Dir ein paar Mark mit. Für heute recht viele liebe Grüße und einen Kuß von
Deiner alten Mutter.
Nienburg, den 16.11. 45
Meine liebe kleine Lenifrau!
Ich habe immer gehofft, diese Woche Post von Dir oder Mutter zu erhalten, aber das Warten war vergeblich. Na, da darf man eben die Geduld nicht verlieren und hofft weiter. An Euch wird es ja nicht liegen, vielleicht spielt sich die Postbeförderung wieder ein und dann werden wir wohl öfters voneinander hören. Hoffentlich seid Ihr alle wohlauf, ich mache mir sehr viel Sorge um Euch, da ich ja überhaupt nicht weiss, wie es Euch geht und wie es zuhause aussieht. Aber man darf nicht den Mut sinken lassen, es muss doch wieder mal ein Brief ankommen. Heute will ich nun einmal etwas ausführlicher von mir schreiben, aber zuerst will ich doch dem Heidikind schreiben, dass ich oft an sie denke, wenn ich hier die kleinen Mädchen auf der Strasse sehe. Ob sie wohl recht gewachsen und immer artig zu der Mutti ist? Wie geht es Dir selbst? Du hast wohl viel Sorgen und Kummer und bin ich froh, dass ich nach Hause kann und wir wieder zusammen sind. Na, Du wirst, soweit wie möglich, mir schreiben, wie es mit Euch allen bestellt ist. Unsere Eltern sind hoffentlich alle wohlauf und wie geht es Martin, Lisa, Erie und ihrer Familie? Nun einmal zu mir. Wegen meines Gesundheitszustandes braucht Ihr Euch keine Sorgen zu machen. Das, was ich gewichtlich im POW 2) in Belgien verloren habe, hole ich jetzt langsam aber sicher auf. Der Appetit ist erstaunlich, aber es gibt reichlich Mittagessen und unter Hinzufügen von markenfreiem Schwarzbrot komme ich gut aus. Dass wir am 3. November hier in Nienburg eingetroffen sind, hatte ich Dir wohl geschrieben. Ich gehöre einer Nachrichtensektion des Tommy an und sind wir zwar noch Kriegsgefangene, aber können uns vollkommen frei bewegen; leider geht es noch etwas militärisch zu, wir haben zwei Offiziere, Spiess und allen Klimbim, aber es ist erträglich, obwohl mir der ganze Barras zum Halse heraushängt. An Entlöhnung bekomme ich als Unteroffizier M 42.– bar ausgezahlt, wenn ich auf Urlaub fahre. Ausserdem würdest Du monatlich M 60.– zusätzlich bekommen, wenn Du in der britischen Zone wohnen würdest. Allerdings würde dann Deine Unterstützung wegfallen. Ausserdem bekommen wir wöchentlich 20 Zigaretten und Kaltverpflegung ist pro Tag ein halbes Weissbrot, ca. 400 Gramm Marga und ca. 100 Gramm Büchsenwurst oder Corned beef oder eine Bulette. Dazu zweimal in der Woche abends Milchsuppe. Untergebracht sind wir in einem Barackenlager, ein ehemaliges Russenlager und sah es ziemlich trostlos aus am Anfang, denn es gab weder Betten, Stroh, Tische und Stühle, aber es macht sich jetzt so langsam zur halbwegs wohnbaren Unterkunft, bis gestern waren wir noch nicht
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