Bleib uns gesund und behalt uns lieb 02: Briefe und Feldpostbriefe einer deutschen Familie 1928 bis 1946
der Luft. Ab 1. Januar zahle ich meine Miete wieder, allerdings nur 20 M. Weißt Du, mit den Filmen anstatt Glas machst Du Dir glaube ich eine falsche Vorstellung. Sie müssen vollständig abgewischt und abgewaschen sein und sind dann durchsichtig wie Glas. Dann werden sie zusammengenäht, und eingenagelt. Bist Du nun schon bei Heinz gewesen, und wie hat Dir Dein neuer Schwager gefallen? Ich bin wirklich auf Deinen nächsten Brief gespannt. Bestimmt hat er Dir auch über alles genau Auskunft geben können. Ilse aus Ostrau war nur eine Nacht hier und war ich deshalb auch nicht böse. Weißt Du, Du bist jetzt gar nicht in der Stimmung groß Besuch zu empfangen. Heidis Blaßheit ist glaube ich keine Zeiterscheinung. Sie kann immer an der Luft sein, und sieht doch blaß aus, dies liegt am Teint. Vom Tauch’schern habe ich leider keine Aufnahme gemacht, und bedaure es auch schon sehr, aber man mußte auch vorsichtig sein, denn man durfte doch gar keinen Apparat haben. Weißt Du, Bratkartoffeln, aber so richtig, würde ich auch wieder mal gern essen, aber so viel Fett haben wir leider nicht zur Verfügung, wird aber auch mal wieder. Mit Eurer Kleidung habe ich mir das vorstellen können, man sah hier so viel solche Elendsgestalten vom Osten, so zerlumpt könnt Ihr nicht gewesen sein. Hat denn das nicht auch fürchterlich gestunken? Hast Du den Rock inzwischen bekommen, und sind die Sachen halbwegs anständig? Und wie sieht es mit einem Wintermantel aus? Die Schuhe sind ja auch prima und bin ich da sehr froh für Dich. Was Du da über meine Unterstützung schreibst, ist sehr lieb von Dir, kleiner Mann, und danke ich Dir recht herzlich dafür. Besonders auch für die geschickten 30 M. Aber ich will Dich nicht so berauben, so viel ist das nicht, was Du hast, und brauchst Du das schon selbst. Auch hab ich hier noch 300 M Spargeld. 600 M waren es, und davon kann ich immer mal was zusetzen, denn mit 49 M kann man beim besten Willen nicht auskommen. Ich komme damit bestimmt noch eine Weile hin, und ehe bei mir nicht alles alle ist, gehe ich nicht arbeiten, darüber kannst Du beruhigt sein. Wo hast Du denn die 50 M her, wo Ihr doch für Dezember nur 45 M bekommt? Und dazu noch die geschickten 30 M, damit komme ich bestimmt lange hin. Weißt Du, wenn beim Hamstern Brot herausspringt, würde ich auch mal gehen, aber Spaß macht sowas doch nicht, und bin ich froh wenn ich nicht gehen brauche. Nach Elster zu fahren hatte ich wirklich keine Lust, aber reisende Leute soll man nicht aufhalten. Die gestrichenen Stäbchen sind ja schade, aber vielleicht gibt man sie Euch nachher als Weihnachtsgabe, wie es bei uns anscheinend mit dem Zucker ist. Seit vier Wochen haben wir kein Krümchen. Allerdings habe ich von Lisa viel Zucker bekommen, und ist es auch der Zucker, der uns so über die fettarme Zeit hinweggeholfen hat, denn Heidi und ich (auch Mutter) haben ihn löffelweise gegessen. Jetzt geht er aber auch zur Neige und reicht gerade noch für Weihnachten. Nochmals zum Stäbchen. Ich hatte nämlich schon gehofft, mal eine im Brief für mich vorzufinden. Gleich mal Muttis Anschrift (O 39, Preußenstraße 84) sie wird sich bestimmt sehr freuen. Eure Arbeitseinteilung ist wirklich nicht schlecht, und läßt es sich schon so aushalten. Von Lieberoths habe ich noch nichts gehört und auch noch nicht danach gefragt. Willst Du nicht mal schreiben? Bei uns liegt jetzt schon schöner Schnee, und ist es unverschämt kalt. Heidi läßt sich nicht verdrießen und will morgen Schlitten fahren gehen. So richtiges Weihnachtswetter. Auf dem Augustusplatz ist Weihnachtsmarkt mit vier Karussells. Will mit Heidi am Mittwoch mal hin. Nur mit Weihnachtsbäumen sieht es mies aus. Das erste Friedensweihnachten werden wir wohl ohne Tannenbaum verbringen. Heinz will ja für seine Familie einen Baum mitbringen. In der Halle waren wir heute auch, aber dort ist montags geschlossen und will Vater morgen noch mal zu Krause. Oder hat Dein Kamerad inzwischen Bescheid? Ich schreibe gleich, was ist. Frau Kürbis hat noch keine Nachricht, wo ihr Mann steckt, in Frankreich waren sie ja auch nicht gut. Ich weiß nicht, was Du mit Heidis Sparbuch meinst und umschreiben? Heidi hat doch nur ein Sparbuch der Sparkasse und kein Postsparbuch. Weißt Du, ich bleibe doch lieber hier, als mit Erie mitzufahren, zumal ich immer denke, daß Du doch über kurz oder lang kommst. Wie willst Du das mit dem Urlaub machen, wenn er nicht fürs russische Gebiet ist? Vielleicht hast Du diese
Weitere Kostenlose Bücher