Bleib uns gesund und behalt uns lieb 02: Briefe und Feldpostbriefe einer deutschen Familie 1928 bis 1946
Frage auch schon mit Heinz besprochen, und kommt doch zusammen an. Wegen der Esserei kämen wir hin. Ich habe noch das Schweinefleisch von Dir und die große Wurstbüchse, außerdem noch zwei Dosen Fleisch. Also brauchst Du nicht hungern. Höchstens ein oder zwei Brote könntest Du mitbringen, und dann leben wir wie der liebe Gott in Frankreich. Also halten wir ganz fest beide Daumen, vielleicht klappt es doch noch. Warum sollen wir nicht Glück haben. Blumen hab ich nicht verkauft und war ich selbst sehr froh darüber. Sie waren nämlich fast alle schon verwelkt im Garten. Zur Adventszeit war es doch immer schön bei uns, und jetzt mit Heidi wäre es noch viel schöner. Sie singt so gern alle Weihnachtslieder. Und nun mal zu Nummer 2. Da bin ich nun erschüttert kleiner Mann, wie es Euch da ergangen. Man sieht da wieder, wie beliebt wir bei allen Menschen im Ausland waren, und ist es schlimm für die Menschen, die dabei noch umgekommen sind, wo sie doch den ganzen Krieg durchgestanden hatten. Einzelheiten erzählst Du mir wohl mal persönlich, wie wir ja überhaupt uns mal sehr viel zu erzählen werden haben.
Morgen Abend gehe ich mit den Eltern mal wieder ins Theater in ‘Hoffmanns Erzählungen’ und freue ich mich schon sehr darauf. Es geht schon um 4 Uhr los, und muß Heidi so lange zu Kürbissens.
Nun kleiner Mann ist es 11 Uhr, ich bin schrecklich müde. Bleib Du uns gesund und munter, und nimm 1000 liebe Grüße und Süße von uns, vom Kerlchen außerdem mal drücken
Deine Leni.
Viele Grüße von allen.
Leipzig, den 13.12. 1945
Mein lieber alter Strolch!
Da ist nun wieder Weihnachtsabend, und ich bin ganz fest überzeugt, daß es diesmal das letzte Weihnachten ist, was wir getrennt verleben müssen. Unsere Gedanken werden aber sehr oft bei Dir sein, und in Gedanken wirst Du an diesem Tag in unserer Mitte sein. Wir wollen den Kopf nicht hängen lassen, da wir doch wissen, daß wir das Schwerste hinter uns haben, und es für uns hoffentlich wieder bergauf geht. Dies allein ist schon Grund froher und freier in die Zukunft zu schauen.
Wie wird der Weihnachtsabend bei Euch sein? Ob Ihr wohl eine Bäumchen habt? Und ob der Engländer in Bezug auf die Esserei es Euch ein bissel festlich macht? Vielleicht liegen auch die gesparten Stäbchen da. Aber sonst wird sich der Tag wohl nicht allzu sehr von den übrigen abheben, es sei denn, daß Ihr es Euch selbst ein bißchen schön macht.Und das wünsche ich Euch von ganzem Herzen. Simuliere nur nicht gar zu viel vor Dich hin, kleiner Mann, sondern denke daran, daß es ganz bestimmt das letzte Weihnachten ist, wo wir nicht beisammen sind. Und sind wir nicht trotz unseres getrennt seins so unendlich glücklich dran im Vergleich zu denen, die ihre Familie oder Männer einbüßten, und nur noch in der Erinnerung bei ihren Lieben sein können? Drum wollen wir nicht klagen, sondern an eine bessere gemeinsame Zukunft glauben.
Bei uns wird es wohl nun das erste Weihnachten sein, wo wir kein richtiges Bäumchen haben. Hier gibt es diesmal überhaupt keine Bäume, und so wird mir wohl nichts weiter übrig bleiben, als mir ein kleines Bäumchen aus dem Garten zu holen und es in einen Topf zu setzen. Und dann wird es für uns ja schön durch Heidi. Was wird sie für Augen machen, wenn sie die Puppenküche sieht? Ich kann es Dir ja sagen, daß ich persönlich sogar mich freue, wenn ich mal mit Heidi in der kleinen Puppenküche kochen kann. Und dann habe ich noch den ‘Hans Wundersam’ neu einbinden lassen, und den bekommt sie dann auch, denn bis jetzt hat er ja mir gehört. Ich hoffe doch, daß es wenigstens eine kleine Sonderzuteilung bei uns gibt, damit man es sich auch in Bezug aufs Materielle ein bissel festlich machen kann. Gemunkelt wird ja so allerhand, aber ich glaube es erst dann, wenn ich es wirklich habe. Auf alle Fälle habe ich aber noch die Büchse Schweinefleisch da. Also haben wir schon paar fettige Tage. Dann werde ich noch ein oder zwei Kuchen backen, außerdem paar Pfefferkuchen und Kekse. Du wirst sagen ‘Besser kann man es ja gar nicht haben.’ Aber kleiner Mann, wenn es geht, schicke ich Dir paar Kekse als Brief, muß mich erst noch erkundigen, und nachher schmecken sie ja auch noch. Aber vielleicht ist es gar nicht notwendig, und Du bist selbst da. Dies wäre dann für mich die größte und schönste Weihnachtsüberraschung. Wenn ich es schaffe, gehe ich am Heiligabend in die Christvesper, damit hatte ich vergangenes Jahr ja so Pech.
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