Bleib uns gesund und behalt uns lieb 02: Briefe und Feldpostbriefe einer deutschen Familie 1928 bis 1946
auf Mitte Februar? Glaubst Du, daß bis dahin der Russe weg ist? Das hat es hier schon so oft geheißen, daß man schon gar nicht mehr daran glaubt. Weißt Du, Heidis Gabentisch sah wirklich nicht ärmlich aus, und hat sie für meine Begriffe viel zu viel bekommen. Von Schramms bekam sie noch ein sehr reizendes Bilderbuch, was sie sich mindestens zwölfmal am Tag vorlesen läßt. Alles habe ich Dir ja schon am Heilig Abend geschrieben, und wollen wir nur die Daumen halten, daß der Brief ankommt, sonst muß ich doch noch mal alles wiederholen. Die Geschenke, kleiner Mann, sind nicht die Hauptsache, Hauptsache ist, daß wir im nächsten Jahr endlich wieder beisammen sind. Auf alle Fälle will ich aber hier nochmals für Deine lieben Gaben recht herzlich danken. Ich habe wirklich ein schlechtes Gewissen, daß ich das von Dir annehme, denn Du hast es Dir doch selber erst abgekapselt. Worauf hast Du denn 100 M vom Sparbuch umschreiben lassen? Das ist mir noch nicht ganz klar. Die 250 M hebe nur noch nicht gleich ab, oder mach es wie Du denkst. Aber mir brauchst Du vorläufig nichts zu schicken, ich komme jetzt hin, und dann schreibe ich schon wieder. Du hattest seinerzeit nur eine Radioröhre mit aus Holland gebracht, und diese gab ich jetzt hin, damit unser Apparat wieder in Ordnung kommt. Weiter ist sonst nichts da, sonst hätte ich ihnen gern geholfen. Die Arbeiterei lohnt sich direkt bei Dir, und werden da manche Männer direkt neidisch. Siehst Du, ich hab es Dir ja gesagt, daß die Stäbchen Euch für Weihnachten gespart werden, oder waren Weihnachten schon keine mehr da? Am ersten Feiertag habe ich mit Heidi eine Karnickelkeule, welche Lisa spendiert hat, gegessen, und hat es sehr gut geschmeckt. Am Nachmittag kamen Mutti und Papa und später noch Schramms. Ich habe auch von Schramms ein Buch bekommen ‘Schicksal am See’, Vater ‘Frieden’ von Gläser, und Mutter ‘Die Zwillinge’. Zusammen hatten wir dann noch ein paar schöne Stunden. Am zweiten Feiertag waren wir bei meinen Eltern zum Gänsebraten essen eingeladen, auch Heinz und Erika mit. Darüber wird Dir wohl auch Heinz berichten, und haben wir allerhand zusammen gequatscht. Wie gefällt Dir denn überhaupt Dein neuer Schwager? Darüber habe ich noch gar nichts von Dir gehört. Heute Nachmittag waren wir bei Krolls und Leidels eingeladen, und hat mir Erich Leidel die Umschläge und Briefpapier für Dich gegeben, und soll ich Dich recht herzlich grüßen. Heidis Husten fängt an sich zu bessern und haben wir die letzte Nacht das erste Mal durchgeschlafen. Mutter schickt Dir Seidenpapier mit. Kannst Du das als Zigarettenpapier benutzen? Damit Du kein Klopapier zu nehmen brauchst. Ich hatte Dir auch schon mal in einen Brief welches hineingetan. Hast Du das bekommen? Papa und Mutti schicken Dir mit Heinz einen Tintenkuli als kleine Weihnachtsfreude, und lassen Dich recht herzlich grüßen. Es ging gestern alles so schnell, daß sie nicht erst paar Zeilen schreiben konnten. Heidikind hat Dir ein Abziehbild auf die Karte gezaubert. Sie hat es ganz allein gemacht, und auch ordentlich beschrieben. Und was soll nun ich Dir schenken? Der Kuchen ist von Mutter und mir zusammen, er ist ein bissel dunkel, aber vielleicht schmeckt er Dir trotzdem gut. Kekse vom Heidikind und mir, auch sie laß Dir gut schmecken. Nun will ich noch sehen, daß ich soviel als möglich Zeitungen zum Lesen auftreiben kann (Vielleicht auch ein Buch). Nur tut mir ein gutes Buch leid, denn man muß damit rechnen, daß man es nicht wieder zurück erhält. Und dann will ich noch sehen, ob ich ein Pfeifchen für die Kippen auftreiben kann.
(Rest fehlt)
Sylvester 1945
Meine liebe kleine Lenifrau!
Heute am letzten Tage im alten Jahr will ich nun Deine Post beantworten, die ich mit Mutters Brief am zweiten Feiertag erhielt. Ich habe die Beantwortung bewusst bis heute hinausgeschoben, da ich ja doch heute allein bin, d.h. wenn auch ein oder zwei Kameraden noch hier sind, und kann mich bis zur Jahreswende mit Dir beschäftigen. Für Deine lieben Weihnachtszeilen und -wünsche danke ich Dir vielmals, kleine Frau und hab ich mich sehr darüber gefreut. Ausser diesem Brief kam gleichzeitig Deine Karte vom 13.12. und überraschender Weise auch noch Dein Brief vom 4.12. Dadurch war ja so eine grosse Spanne entstanden, so dass ich wirklich sehr in Sorge um Dich war. Deine viele Post, die nun auf einmal vor mir lag, sowie sowie Mutters Brief waren die schönsten Weihnachtsgaben für mich,
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