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Bleib uns gesund und behalt uns lieb 02: Briefe und Feldpostbriefe einer deutschen Familie 1928 bis 1946

Bleib uns gesund und behalt uns lieb 02: Briefe und Feldpostbriefe einer deutschen Familie 1928 bis 1946

Titel: Bleib uns gesund und behalt uns lieb 02: Briefe und Feldpostbriefe einer deutschen Familie 1928 bis 1946 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unknown
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Dir, und hoffte jeden Tag, daß mir der Briefträger ein Brieflein von Dir bringen sollte. Leider vergeblich. Nun sag mir aber ja nicht, Du habest geschrieben, denn bis zu Deinem Brief von Holtensen habe ich alle erhalten, und den letzten besonders rasch, in welchem Du auch zugabst, keine Lust in der letzten Zeit zum Schreiben zu haben. Am 13. ist der Brief aus Holtensen geschrieben, und nun rechne ich mir aus, daß Du am 15. oder 16. wieder geschrieben hast, 10 Tage Laufzeit, müßte doch nun jeden Tag eintreffen. Na, vielleicht morgen. Doch halt, viermal Post habe ich ja in den letzten drei Tagen bekommen, allerdings nicht aus Nienburg, sondern aus dem Gefangenenlager aus Belgien und zwar vom 19. und 28. August, und 20. und 28. Oktober. In dem letzten kündigst Du Deinen Arbeitseinsatz im Reich an. Sie sind zwar sehr veraltet, habe mich aber trotzdem sehr darüber gefreut. Noch mehr gefreut und zugleich beruhigt hätte es mich, wenn sie vergangenes Jahr pünktlich eingegangen wären, aber dies Verschulden liegt ja nicht bei Dir. Meinen letzten Brief habe ich wohl am vergangenen Montag geschrieben. Am Dienstag war ich mal mit Heidi im Albertpark rodeln, und am Abend mit Mutter im Kino in ‘Hochzeitshotel’, und habe ich mich dabei köstlich amüsiert und gelacht. Überhaupt verpasse ich keinen deutschen Film in der Elite. Am Mittwoch habe ich bei Mutti für Papa und uns ein paar Kekse gebacken, weil das immer noch das Einzige mit war, was ihm bekommen ist. Am Donnerstag war ich mit Deinen Eltern und Erie im Schauspiel im ‘Sommernachtstraum’ und muß ich sagen, daß ich restlos begeistert war. Wenn Du da bist, gehen wir beide noch mal gemeinsam. Der C.T.Saal ist ein wunderbares Theater geworden, und können wir wirklich stolz sein in Leipzig, wieder ein solches Theater zu besitzen, und was die Hauptsache mit ist, es ist herrlich warm drin. Wir hatten es uns auch was kosten lassen und hatten den besten Platz. Bei Heidi waren, weil Frau Kürbis keine Zeit hatte, Ilse und ihr Mann, und spendierte Vater hinterher für jeden noch ein Glas Grog. Also ein gelungener Abend. Am Freitag war ich am Nachmittag wieder mit Heidi im Abertpark rodeln. Am liebsten kullert sich Heidi im Schnee rum, fängt aber mächtig mit Schimpfen an, wenn sie ausgelacht wird. Heidi wünscht sich sehnsüchtig Schneeschuhe, und wenn sie davon spricht, so hat sie selbige in Gedanken schon. Gestern Abend haben Heidi und ich mal in der Preussenstraße geschlafen, und am Abend haben wir mit Bekannten einen Doppelkopf gemacht. Heute zum Mittag mit draußen gegessen, und war ich sehr froh darüber, denn ich wußte nicht, was ich heute hätte kochen sollen, da man uns mal wieder ohne Fleisch gelassen hat. Die Periode ist Donnerstag rum und wir haben noch über die Hälfte Marken an den Karte. Du, wenn Du nicht bald kommst, garantiere ich nicht mehr für die Büchse Wurst, der Heißhunger darauf ist zu groß. Am Nachmittag war ich mit Mutti und Heidi in der Probstheidaer Schule zu einem Harmonikakonzert der Volkssolidarität, und hat man jämmerlich dabei gefroren. Papa war nicht mit, ihm geht es mal wieder gar nicht gut. Sein Magen arbeitet und behält überhaupt nichts. Nicht mal Mehlsuppe, und heute nicht mal die Kekse. Mittagbrot ißt er überhaupt nicht. Morgen geht Mutti mal zu einem Heilpraktiker mit seinem Wasser. Weißt Du, obwohl das Konzert nicht so berühmt war, sind mir doch zweimal bald die Tränen gekommen, beim ersten Mal spielten sie Variationen über ‘Brüder zur Sonne zur Freiheit, hell aus dem dunkeln Vergangen leuchtet die Zukunft hervor’. Wir persönlich haben doch keine Zukunft mehr, das ist doch der reine Hohn; und denkt man am liebsten gar nicht über dieses Thema nach. Zum Schluß spielten sie ‘S’is Feierabend’ und da kamen mir zum zweiten Mal die Tränen, weil sich Papa dies Lied zu seinem Begräbnis wünscht. Was haben schon unsere Eltern von ihrem Lebensabend und was haben wir? Manchmal habe ich es so satt, daß ich den ganzen Krempel hinwerfen könnte, wenn unser Kerlchen nicht wäre. Sie soll doch einmal ein schöneres und besseres Leben haben. Ich glaube, ich höre heute lieber auf mit schreiben, ich bin in zu pessimistischer Stimmung. Diese Woche haben sie auch Pfarrer Büttner am Schleußiger Weg ermordet. Sie wollten ihn ausrauben, und er hat sich gewehrt und da haben sie ihn erschossen. Hast Du überhaupt mal was von der Quarantäne gehört hier? Alle Gefangenen, die heimkehren, müssen erst mal ehe sie

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