Bleib uns gesund und behalt uns lieb 02: Briefe und Feldpostbriefe einer deutschen Familie 1928 bis 1946
in der Stube hinfällig. Da geht nun aber die Arbeit im Garten los, und muß ich morgen wieder raus.
Ich habe ein richtiges schlechtes Gewissen, daß ich die Sachen für Dich noch nicht fortgeschickt habe. Durch Papa ist alles liegengeblieben, und nun wollte ich erst wieder auf die neue Anschrift warten. Hoffentlich kommt es heute noch zurecht. Braune Schuhcreme habe ich leider nicht bekommen. Aber ich frage weiter. Ist es denn nun mit Eurer Verpflegung besser geworden? Und ist es mit der Bevölkerung wirklich so schlimm, als man es hier in der Zeitung schreibt? Man darf da aber nicht außer Acht lassen, daß diese Zone im Verhältnis zu uns immer besser ernährt wurde, und sich das so leichter tragen läßt. Für uns wäre es glaube ich untragbar. Nimmt man an, vielleicht geht es aber doch. Mach Dir nur keine Sorgen, daß Du uns nichts schicken kannst. Wir kommen schon hin, und wenn es wirklich mal was gibt, so kannst Du es für Dich selbst gebrauchen. Ja, mit den Brotmarken ist es sehr schade, daß es mit den Zwiebäcken nicht geklappt hat, das Kerlchen hatte sich so darauf gefreut. Aber die Wurst hatte Erika mit, und war ganz fabelhaft. Auch ein kleines Tütchen Zwieback für Heidi. Erika hatte ihn sich extra backen lassen, und Mehl, Zucker usw. hingegeben.
Was habt Ihr denn dort für Arbeit? Darf man das wissen? Und wohin ist die letzte Section gekommen von dort? Entlassen? Wenn Du da in Delmenhorst baden kannst, fühlst Du Dich da nicht als Kurgast? Das ist doch ganz nett, daß man Euch das unentgeltlich erlaubt. Heute haben wir im Hof aufgehangen. Es war ganz herrliches Wetter, so daß wir sogar noch im Hof gelegt haben. Auch Heidi hat mitgeholfen. Hat auf einer kleinen Leine Taschentücher aufgehangen und auch noch gelegt. Überhaupt will sie Dich ausquartieren. Sie schläft jetzt, da ihr Bett sehr klein wird, in meinem Bett, und ich in Deinem. Ich sagte ihr aber, wenn der Vati kommt, muß sie wieder in ihres, da meinte Heidi treu: “Der Vati kann doch im Zimmer auf dem Sofa schlafen”. Ich glaube das wäre so alles, kleiner Mann. Ich bin ganz schrecklich müde, und verkrümle mich gleich. Auf Deinen nächsten Brief freue ich mich schon, und grüße Dich bis dahin recht recht vielmals und auch ein feiner Kuß vom Kerlchen und mir
Deine Leni.
Viele Grüße von allen, besonders von Mutter.
Nr. 7Birkenheide, den 31.3. 1946
Meine liebe kleine Lenifrau!
Seit Donnerstag habe ich schon dreimal angefangen, Dir zu schreiben und jedesmal habe ich es wieder aufgegeben, aber heute wird der Brief zu Ende geschrieben. Hoffentlich hast Du meine letzten Briefe alle bekommen und wirst mir nicht zu böse sein, dass ich vergangene Woche bloss einmal geschrieben habe, aber die Versetzung nach hier und dann die Sorgen um Euch zu Hause haben mich doch etwas deprimiert und meinem Optimismus einen starken Stoss versetzt. Ich hoffe aber, dass diese Zeilen Dich und das Kerlchen gesundheitlich wohlauf antreffen und dass Du nun über den grössten Schmerz hinweg bist. Du hast wohl stark damit gerechnet, dass ich das Telegramm beizeiten bekommen würde und nach seinem Erhalt sofort nach Hause kommen würde. Aber Du weisst ja, dass ich erst am 23. die Nachricht bekam und nur bis Holtensen gekommen bin. Ich bin jetzt so unsicher und uneins mit mir selbst und gar nicht recht zufrieden mit mir. Als ich bei Heinz war, habe ich mit ihm vereinbart, dass, wenn er Ostern nach Hause fährt, ich mich ihm anschliessen würde. Er wollte mir auch beizeiten schreiben resp. telegrafieren. Nun fahre ich am Mittwoch voraussichtlich nach Liebenau, das liegt ca. 15 Kilometer von Nienburg nach Minden zu, zur Zahnbehandlung und kann es sein, dass ich ca. zehn Tage dort oder in Nienburg stationiert werde, bis die Behandlung abgeschlossen ist. Dann klappt es aber wieder nicht mit Ostern, es ist einfach zum Kotzen. Die Zähne muss ich mir aber auch machen lassen, da ich es nicht länger hinausschieben kann und wird es wohl dabei bleiben, dass ich so um den 12. Mai herum meinen Urlaub beantrage, wie wir das schon besprochen haben. Es sind zwar immerhin noch siebeneinhalb Wochen bis dahin, aber nachdem es hier schon etwas schwieriger ist, wegzukommen, bietet sich beim Urlaub die beste Gelegenheit. Du schickst Deine Briefe aber ruhig weiter nach Birkenheide, da ich sie mir dann durch den Kurier nach Nienburg oder Liebenau kommen lasse.
Ja, kleine Frau, nun ist es schon wieder eine Woche her, dass ich von Nienburg zurück bin. Am vergangenen
Weitere Kostenlose Bücher