Bleib uns gesund und behalt uns lieb 02: Briefe und Feldpostbriefe einer deutschen Familie 1928 bis 1946
heimkommst, denn hier ist Dein Platz, daher gehörst Du. Von Eri haben wir noch nichts gehört, doch wird es für Mutter Jentzsch gut sein, wenn sie wieder mehr Ruhe hat. Hast Du etwas über Eure Entlassung gehört? Du hast wohl auch noch nichts von Eri und Heinz gehört. Sind denn Deine Füße wieder in Ordnung? Und ist die Blase an der Hacke wieder verheilt?
Über die Kürzung der Lebensmittelrationen bei Euch haben wir schon gelesen. Wie hat es sich bei Euch ausgewirkt? Schön wäre es, wenn die Witterung bald gelinder würde. Habt Ihr nun etwas Holz ergattert, damit Ihr nicht so sehr zu frieren braucht? Vater hat beim Kohlen und Gewerbe Kohlen beantragt und sind ihm 15 Zentner bewilligt worden. Wir haben zwei Zentner bekommen und können uns jede Woche zwei weitere Zentner holen. Da habe ich nun seit vergangenem Freitag in unserer Stube wieder geheizt, da kann nun Vater wieder arbeiten.
Gestern hat Leni aus dem alten Militärmantel für Heidi ein paar sehr hübsche Hosen gemacht. Sie sind wirklich sehr schön geworden und ist unser Kerlchen ganz stolz darauf. Geht es Deinem Kamerad Heger wieder besser? Habt Ihr Euch hier auf dem Bahnhof getroffen? Das wäre aber fein, wenn Du etwas Bohnenkaffee erwischen könntest. Es ist wirklich lieb von Dir, daß Du immer so an uns denkst. Ich schicke Dir heute wieder Berliner Illustrierte und ein paar andere Zeitungen zu. Mach Dir keine Gedanken, es wird schon wieder die Zeit kommen, wo wir uns gegenseitig aussprechen können.
Soll ich Dir mal unser Programm für Vaters Geburtstag schreiben? Falls wir Zucker zugeteilt bekommen, will ich einen kleinen Mohnkuchen backen. Dann trinken wir drei früh eine Tasse Bohne, zu Mittag gibt es die Büchse von Dir, na und abends wird schon auch noch was da sein. Ich soll Dich von Leidels, Krolls, Schramms und Tante Ida grüßen. Gestern hatte Ilse Geburtstag und war ich mit Heidi einige Zeit drüben. Heute gehen wir drei in die Oper, ‘Wildschütz’. Diese kennt ja Leni noch nicht und freue ich mich.
Lieber Hans, zanke nur nicht über die schlechte Schrift, aber die Augen machen heute nicht so recht mit, ich denke, das nächste Mal wird es wieder besser sein. Darum will ich heute aufhören, bleib mir recht gesund und behalt uns lieb.
Dir viele liebe Grüße von Vater und mir und einen Kuß
Von Deiner alten Mutter.
N° 3 Leipzig, d. 2.4. 46
Mein lieber Junge!
Gestern, am 1.4.bekamen wir Deinen lieben Brief vom 24.3., für den wir Dir vielmals danken. Ich hatte ihn schon sehnsüchtig erwartet. Ich vermisse Dich jetzt noch viel mehr, ach wärest Du doch erst wieder daheim.
Ja, mein lieber Hans, auch ich hatte fest an eine Besserung beim Vater Jentzsch geglaubt, und nach Lenis Worten konnte es auch an dem sein. Mir tut es nur so sehr leid, daß er hat so schwer leiden müssen. Er muß ja buchstäblich verhungert sein. Leni wird Dir wohl über alles geschrieben haben, denn ich weiß es nur durch Erzählen, da ich nur einmal im Krankenhaus war, da ich Heidi behalten habe. Wie sich Mutter ihr Leben einrichtet, das will wohl alles reiflich überlegt sein. Fürs erste ist sie wohl versorgt, aber man weiß ja nicht, wie sich die allgemeine wirtschaftliche Lage noch lösen wird. Seid nur immer recht gut zu ihr, denn das hat sie ja reichlich um ihre Kinder verdient. Man sieht, wie schnell ein Menschenleben vergeht und mir gehen die Worte nicht aus dem Sinn, wer weiß, wie nahe mir mein Ende. Nur gut, daß Mutter ihre drei Mädels hat.
Es tut mir leid, daß Du Dich in Delmenhorst so gar nicht wohlfühlst, das macht weil Du nun mal daheim warst, da fühlst Du um so mehr, was Du entbehrst. Verliere nur den Mut nicht, es wird auch wieder anders, und dann sollst Du mal sehen, wie schön für Euch noch das Leben wird.
Wir haben jetzt herrliches Frühlingswetter. Es wird mit Macht grün und ich denke, so wie in der Natur muß doch auch bei uns in Deutschland mal wieder aufwärts gehen. Heute war Leni seit früh im Garten. Da war ich am Vormittag mit dem Kerlchen bei Frau Leonard. Nach dem Mittagessen hat das Heidikind geschlafen, dann haben wir Kaffee getrunken und sind dann wieder losgezogen, nach dem Sonnenweg, hinter der Kirche. Dort haben wir beide Fußball gespielt. Auch waren wir mal bei Schramms. Tante Anna lag im Bett, ihr war nicht gut und Onkel Max war zu Hause. Er ging um 9 Uhr in Nachtdienst. Das spürt er besonders, weil es sehr neblig und kalt des Nachts ist.
Mein lieber Junge, wie ist es denn mit meinem Sparbuch.
Weitere Kostenlose Bücher