Bleib uns gesund und behalt uns lieb 02: Briefe und Feldpostbriefe einer deutschen Familie 1928 bis 1946
hat er immer, aber Leni und ich haben ihn keine Kohlen raufholen lassen. Nun ist er auch noch über den Wäschekorb gefallen und hat sich an seinem schlimmen Bein verletzt.
Vater und ich bekommen unsre Rente, Vater 63,50 M und ich 23,30 M. Wenn Vater nicht arbeitete, könnten wir allerdings nicht auskommen. Mit den Lebensmitteln ist es ja sehr knapp, aber wenn wir alles bekommen, was auf dem Papier steht, dann bin ich schon dankbar. Kartoffeln sind es sehr wenig, Du weißt ja, das Vater immer ein starker Esser war, und ich möchte doch, da er der Verdiener ist, daß er immer satt wird. Dazu kommt nun auch, daß auch ich immer Appetit habe und mein Teil esse. Es ist ja meistens so, daß, wenn man wenig hat, man dann mehr essen möchte. Aber ich denke doch, daß wir durchkommen. Von Lisa hatten wir zwei Zentner Kartoffeln bekommen und Vater hat sich manchmal für Reparaturen welche geben lassen. Wir hatten im ganzen ca. sechs Zentner. Aber es ist zu wenig, wenn Du immer davon lebst, denn diese sechs Zentner sollen bis Ende Mai langen.
Am Weihnachtsfest haben wir die Büchse Schweinefleisch aufgemacht, welche wir von Dir hatten, und heute haben wir das Cornedbeef, welches wir von Dir zu Weihnachten erhielten, zum Teil verzehrt. Gestern Abend und heute Abend das übrige zum Brot. Du glaubst gar nicht, was das für ein Genuß war, und alles durch Deine Liebe. Ach, ich kann Dir nicht sagen, wie ich mich darauf freue, bis Du ganz daheim bist. Warst Du wieder beim Heinz? Und hast Du Dir die Briefe bei ihm geholt? Ja, es wurde Zeit, daß die Naziherrscher ihr Ende fanden, wir alle haben es oft gespürt, daß wir nicht so gesinnt waren. Hoffentlich wird jetzt nun alles gut gemacht. Eines ist aber doch zu schön, daß wir von den Bomben verschont sind und nachts ohne Sorge schlafen können, und wenn Du abends noch unterwegs ist, dann sind die Straßen erhellt. Mit der Feuerung ist es bei uns nicht so schlecht, da hat Lisa dafür gesorgt, aber wenn wir West und Ostwind haben, da fegt der die Wärme raus. Vater friert jetzt mehr wie ich. Frau Kürbis hat am vierten Weihnachtsfeiertag auch Post von ihrem Mann erhalten. Er ist in französischer Gefangenschaft.
Ich soll Dich von Tante Ida grüßen, sie läßt Dir alles Gute wünschen, daß Du bald heimkommst. Am Freitag Abend waren Krolls und Leidels bei uns. Wir waren bei Euch im Zimmer, hatten etwas Warmbier gekocht und ein paar Puffer gebacken und haben dabei an Dich gedacht. Sie lassen Dich alle herzlich grüßen. Siehst Du, ich freue mich, daß sie ihr Unrecht einsehen und es ist doch schöner, wenn wir in Frieden zusammen leben. Hatte ich Dir schon geschrieben, daß Onkel Ernst und auch Onkel Max in der ATG für die Russen arbeiten müssen? Maschinen abmontieren, putzen und verpacken. Onkel Ernst ist mit seiner Arbeit zufrieden, er ist froh, daß er sich beschäftigen kann, auch Onkel Max fällt es nicht so schwer, nur hat er unter seinem schlimmen Husten sehr zu leiden.
Heidi spielt gern mit Deinen Häuschen. Solche Sachen hat sie sehr gern, sie hat Dir heute eine Karte geschrieben, die in Lenis Brief steckt. Da ist sie sehr stolz.
Hast Du dem Schweden nicht mal für Rydbergs Post mitnehmen können? Ich habe Dir nun viel geschrieben und noch nicht einmal gefragt, wie es Dir geht. Ich will aber doch hoffen, daß alles gut ist. Hoffentlich hast Du nicht unter der Witterung zu leiden. Für Deine lieben Wünsche zu unserem Hochzeitstag recht vielen Dank. Wir hatten uns eine Tasse Bohne gekocht und einen kleinen Kartoffelkuchen gebacken. So verlief auch dieser Tag ganz festlich. Haben dabei auch viel drüber gedacht. Dir müssen doch immer die Ohren klingen. Nun bleib mir recht gesund und komm bald heim.
Von uns Allen viele liebe Grüße und von mir einen Kuß. In aller Liebe
Deine alte Mutter.
Die Schrift wird immer schlechter, ich muß nun aufhören.
N° 1. d. 12.3. 46
Mein lieber, lieber Junge!
Am Sonnabend den 9.3 erhielten wir Deinen lieben Brief vom 4.3. 46. Hab für denselben recht vielen Dank. Gefreut haben wir uns sehr darüber. Nur wissen wir noch nicht, wie die Hinfahrt für Euch verlaufen ist, da der Brief an Leni erst heute eingetroffen ist und da Leni mit Heidi zur Mutter ist, ich also noch nichts Näheres weiß. Nach Deinem Brief an uns muß es nicht so einfach gewesen sein, und doch muß ich Dir sagen, daß ich diesmal sehr ruhig in mir war und bitte ich Dich herzlich mit uns den Gedanken festzuhalten, daß Du nun bald für immer zu uns
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