Bleib uns gesund und behalt uns lieb 02: Briefe und Feldpostbriefe einer deutschen Familie 1928 bis 1946
Erdbeeren, da haben wir uns eine Bowle gebraut. Das erste Glas tranken wir auf Dein Wohl und waren wir mit unseren Gedanken bei Dir. Wie schön wird es doch sein, wenn Du, mein lieber Junge, erst wieder bei uns sein wirst. Du wirst staunen über Dein Heidikind, wie groß sie geworden ist und auch geistig weit. Sie hilft mir gern bei meiner Arbeit, damit ich es nicht so schwer habe und wenn sie mal nicht folgen will und ich zu ihr sage, da muß ich traurig sein und weinen, dann geht es gleich, nein Oma nicht traurig sein und weinen. Das Kind ist mir viel, und spüre ich auch, daß sie mich lieb hat. Dir ist viel Schönes verloren gegangen. Gestern war ich bei Krolls, wollte hören, was mit Onkel Ernst geworden war. Er mußte sich beim Arbeitsamt melden. Er muß morgen früh bei der ATG anfangen als Hilfsarbeiter. Da auch Onkel Max sich melden mußte, bin ich gleich zu ihnen gegangen. Es war das Gleiche. Onkel Max fängt aber erst Dienstag an. Er ist in ärztlicher Behandlung, Kehlkopf und Rachenkatharr. Er hat einen schrecklichen Husten und spricht auch sehr heiser. Er sieht sehr schlecht aus. Er tut mir sehr leid, ich bedaure, daß man ihm nicht helfen kann. Lieber Hans, ich möchte Dich jetzt gern so manches fragen, ob denn alles richtig ist, wie es jetzt gemacht wird. Weißt Du, es ist schade, daß Max Naumann nicht mehr dabei sein kann. Da könnte man so manches, was nicht so in den Kopf will, erklären lassen. Ich denke immer, man müßte mehr mit Liebe als mit Haß aufbauen, aber ich bin ja eine alte Frau und verstehe es nicht so. Habe aber immer gefunden, wenn man viel Liebe gibt, es doch größeren Segen hat.
Nach Deiner Rechnung würde es noch 35 Tage dauern, bis Du heimkommst. Ist das dann für ganz oder erst auf Urlaub? Nun schreib mir bald, wie Du das Weihnachtsfest und Sylvester verbracht hast. Hoffentlich nicht gar so öde. Du bist doch gesund und sieh nur zu, daß Du nicht zu viel arbeitest. Bei uns geht es soweit, man wird eben alt. Die Kriegsjahre machen sich bemerkbar. Vater fühlt sich manchmal recht elend, und frieren tut er immer sehr.
Noch eines wollte ich fragen. Leni sagte mir, Du könntest dort ein Postsparbuch umschreiben lassen und etwas davon abheben, ginge das auch mit meinem? Könnte ich es Dir schicken? Dann ist noch Vater seins da. Schreib mir bitte darüber.
Nun will ich heute zum Schluß kommen. Viele Grüße von Vater und mir und einen Kuß von
Deiner alten Mutter.
d. 13.1. 46
Mein lieber, lieber Junge!
Für Deinen lieben Brief vom 30.12. 45, welchen ich am 10.1. 46 erhielt, recht vielen Dank. Ich habe mich über den so lieben und langen Brief recht gefreut. Es ist Sonntag Nachmittag, Leni ist mit dem Heidikind zu den Eltern und Vater geht jetzt nach den Dreilinden, will sehen, ob er für uns für morgen Karten für ‘Aida’ bekommt. Allerdings wird die Oper nur als Konzertaufführung gegeben, nicht mit Bühnendekoration. Leni will deshalb nicht mit, ich freue mich aber sehr auf die Musik. Gestern Abend waren Vater und ich im Kino. Es wurde ein russischer Film ‘Vier Herzen’ gegeben. Er war sehr gut, Schauspieler vorzüglich und auch sehr schöne Landschaften. Ich habe mich manchmal herzlich amüsiert.
Heute haben wir recht stürmisches Wetter verbunden mit Schnee. Hoffentlich ist es etwas besser, wenn Leni und Heidi wieder heimkommen. Als sie von hier fortgingen, schien gerade die Sonne. Ich werde dieser Tage mal zu Eri gehen und mal wegen der Sparbücher fragen. Als Heinz hier war, hätte ich ihn gern selbst mal gesprochen, wollte aber nicht hingehen, weil niemand etwas gesagt hat und ich glaubte, sie wollten gern für sich sein. Sobald ich bei Eri war, schreibe oder schicke ich Dir die Bücher und Ausweise eingeschrieben. Mit der Bausparkasse ist noch nichts raus, wir wollen aber hoffen, daß noch nicht alles verloren ist.
Daß Vater immer fleißig war und ist, weißt Du ja, aber jetzt fällt es ihm doch manchmal schwer. Ich hatte Dir wohl schon geschrieben, daß er wieder ein paarmal gefallen war, und seitdem war er nicht so recht auf dem Posten. Beim Stuhlgang viel Blut mit weg und wenn er sich schnitt oder stieß, blutete er sehr stark. Ich glaubte beim Stuhlgang, daß die Hämorriden schuld seien, und drang darauf, daß er zum Arzt ging. Dr. Döring sagte ihm, daß er eine kleine Gehirnerschütterung gehabt habe und irgendeine Blutstockung gewesen sei, welche sich nun gelöst hatte. Er solle sich einige Zeit ruhig verhalten. Gearbeitet an seinen Uhren
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