Bleib uns gesund und behalt uns lieb 02: Briefe und Feldpostbriefe einer deutschen Familie 1928 bis 1946
ging es mir nicht allein so. Wir haben hier feste geschuftet und dabei sah man die Holländer auf der Strasse ins Grüne fahren und wenn man da daran dachte, dass man es zu Hause mit Frau und Kind auch so machen könnte, da ging einem doch der Hut hoch. Ausserdem bekam ich dann die L.N.N. mittags und las die Todesanzeige von Maxens Bruder, das hatte mir dann gerade noch gelangt. Ich bin ja sonst kein Freund von solchen Saufereien, aber da habe ich, auch schon dem Spiess zum Schur mitgehalten und das Ergebnis war, dass er uns ½ 10 Uhr auf unsere Dienststellen schickte. Aber für mich, kleine Frau, ist die Hauptsache, dass Du mir wegen des Briefes nicht böse bist, aber auch ohne den Alkohol wäre ich beim Schreiben nicht in Stimmung gewesen. Ich boffe aber, dass Dich das Heidikind durch paar schöne Blumen und mit viel Liebe an diesem Tag dafür etwas entschädigt hat und Ihr alle einen netten Muttertag feiern konntet.
Ich kann es verstehen, wenn Dich jetzt der Tennisplatz nicht so lockt, aber das holen wir nach dem Krieg nach, um schon der Arterienverkalkung zu entgehen und unserer Heidi ein gutes Vorbild zu sein. Aber der kleine Kerl macht sich ja selbst genug Bewegung; vielleicht findet sie auch rechtzeitig Interesse am Tennisspielen.
Ja, Eure Zeit ist ja nun auch bald herum in Elster, hoffentlich haben die Bäder Dir und den Eltern recht geholfen. Uebertreibe das Moorbaden nicht zu sehr, denn zu viel des Guten kann auch schaden. Ich von mir aus hätte ja auch von vornherein auf einen Zuschuss seitens der N.S.V. verzichtet, aber da ich nicht weiss, wie Du mit Deiner Kasse auskommst, habe ich Dich eben darauf aufmerksam gemacht. Dieser Tante hätte ja auch genügen können, dass wir Mitglied der Ortskrankenkasse sind! Du, wo ich die Schreibblocks hinzugepackt habe, weiss ich heute nicht mehr, na, da ist der Verlust ja nicht so gross, um darüber den Kopf zu verlieren. Hier wechselt das Wetter auch jetzt immer, früh ist es schön und nachmittags umzieht es sich, aber es ist noch halbwegs dabei. Sind denn Deine Hals- und Kopfschmerzen wieder weg? Kleine Frau, vielleicht liegt letzteres daran, dass ich so lange nicht bei Dir war?? Wegen der Bergmütze habe ich schon allerhand hören müssen, aber da spielt der Neid mit. Der Chef meinte mal, ich sähe aus wie ein Konfirmand und der Spiess mäkelt immer, ich würde sie zu sehr auf den Pfiff setzen, aber das kann mich wirklich nicht erschüttern. Hast Du Dich nun entschlossen, selbst nach Graz zu fahren, um überhaupt mal wieder zu den Kleidern zu kommen oder verlässt Du Dich da aufs Schicken? Ich schicke Dir heute ein paar Zulassungsmarken, damit Du gleich den Film mir zum Entwickeln und für Abzüge schicken kannst. Mit den Fotoalben ist es mies bestellt, höchstens ganz einfache primitive Alben kann man noch kaufen; soll ich so eines besorgen? Nun hat mir Helenchen wegen der Butter geschrieben, ich soll die Pakete von hier aus reklamieren, das kann ich aber nur, wenn ich die Duplikat Frachtbriefe vorlegen kann, also schicke mir diese bitte umgehend. Gestern kam ein Kamerad aus dem Reich zurück und ist er über Hamm gefahren. Dort ist der grosse Verschiebebahnhof total zertrümmert und da werden wohl auch unsere fehlenden Pakete dabei sein. Jedenfalls sieh zu, dass ich die Papiere umgehend bekomme, damit nun endlich Klarheit in die Sache kommt. An Frau Ziemer will ich gleich morgen schreiben, vielleicht klappt es doch und Du kannst Dich dieses Jahr doch noch was an der See aalen und Heidi nach Herzenslust rumbuddeln. Allerhand Respekt bekomme ich direkt vor Dir, dass Du es fertig bringst, das Rauchen einzustellen, mir will das ganz und gar nicht gelingen und wenn ich nichts habe, fehlt mir immer was. Das Paket mit den Bürsten etc. habe ich nun heute gepackt und gebe es morgen zur Abteilung nach Arnheim. Wenn dann ein Kurier vom Sauerland kommt, soll er es mitnehmen und in Meinerzhagen als Wertpaket auf der Post aufgeben. Ich habe nun als Geburtstagsgeschenk ein Buch für Dich beigepackt. Allerdings weiss ich nicht, ob es nach Deinem Geschmack ist, aber ich war froh, dass ich es überhaupt bekam. Für Heidis Geburtstag hat sich der Vati besonders angestrengt und hat er vier Rollen Drops beigelegt, es ist wirklich zum Kotzen mit der Kauferei. Deine Reise nach Leipzig und zurück ist wohl glatt vonstatten gegangen, leider erfolglos, bis auf den einen Käse. Tante Anna ist da ja ziemlich selbständig vorgegangen, aber retten hast Du da wohl nichts mehr können. Ja,
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