Bleib uns gesund und behalt uns lieb 02: Briefe und Feldpostbriefe einer deutschen Familie 1928 bis 1946
gefallen hat. Hier regnet es nun bald eine Woche ununterbrochen und dermassen intensiv, dass das Wasser schon durch die Barackendächer läuft. Von mir ist nicht viel zu schreiben, ich bin jetzt überhaupt nicht aus der Stellung herausgekommen, einesteils wegen des Wetters und dann war ich offen gestanden zu faul dazu. Gestern hatten wir hier Kino ‘Die grosse Nummer’, die ich nun das drittemal gesehen habe, die mir aber immer wieder gefallen hat. Morgen früh fahre ich erst mit zwei Mann nach Zutphen und allein dann weiter nach Zwolle. Das Ding von der NSV schicke ich anbei zurück, es wird wohl kaum mehr Zweck haben, es auszufüllen, nachdem Du die Kur schon hinter Dir hast. Aber das kannst Du nun machen, wie es Dir am sympathischsten ist, wer weiss, ob sie überhaupt was dazu geben. So, nun will ich gleich anschliessend Abendbrot essen, 40 Gramm Leberwurst habe ich gleich beim Empfang auf den hohlen Zahn gelegt und nun habe ich noch Butter und Kunsthonig. Wo steckt denn jetzt eigentlich Helenchen? Grüsse sie und die Eltern vielmals von mir.
Dir und Heidi recht viele liebe Grüsse und Küsse und behalte ich Euch immer lieb. Bleibt recht gesund und nützt den Sommer gut aus.
Dein Dichliebender Hans.
Leipzig, den 9. Juni 1944
Mein lieber alter Hans!
Gestern war für mich ein sehr postreicher Tag. Als erstes kam Dein lieber und langer Brief, für den ich Dir sehr herzlich danke. Dann kam von Frau Berthold ein Brief aus Schlesien, und dann von Hilla einer aus dem Erzgebirge. Ist doch viel was? Heute kam nun von Gretel ein Päckchen, enthalten einen runden Rührkuchen, ein Spielhöschen für Heidi, und eine Dose Fettkrem für mich. Außerdem von Frau Klemm ein Päckchen mit einer runden Dose und ein paar Blümchen. Über alles habe ich mich sehr gefreut, weil man doch heutzutage eigentlich gar nichts erwartet. Dein Bürstenpaket mit Drops für Heidi ist aber immer noch nicht eingetroffen. Ob’s noch ankommt? Heidi ist mal wieder erkältet, schlimmer Husten und sehr leierig. Sie heult und weiß nicht, warum. Trotzdem hat sie Dir vorhin noch eine Karte geschrieben und wollte immer wieder ein Küßchen drauf schreiben. Vielleicht kannst Du es entziffern und verstehen, was sie meint. Bei uns ist nun ein ganz scheußliches Wetter. Aller Augenblicke regnet es und dann ist wieder blauer Himmel. Bald wie richtiger April. Vorgestern habe ich mich mal über Deinen Kleiderschrank gestürzt, da schon wieder die Motten drin sind. Habe alles ausgescheuert und dann mit Petroleum ausgewaschen, das soll ein ziemlich sicheres Mittel sein. Aber ich glaube, das allersicherste ist doch, wenn Du recht bald kommst, und alle Sachen tragen kannst. Gestern habe ich mal wieder die Koffer frisch gepackt, und in den Rohrkoffer auch Deine Anzüge mit gepackt. Den grauen schaffe ich am Montag noch zum Reinigen. Auch unseren Teppich habe ich wieder hingelegt, denn da waren ebenfalls die Motten drinnen, und ob den nun die Motten zerfressen, oder ob er evtl. mal verbrennt ist gleich. Trotzdem, nachdem nun endlich die Invasion gestiegen ist, werden wir wohl im Reich ein bissel mehr Ruhe haben. Man denkt es jedenfalls, aber weiß es nicht. Auf jeden Fall sind wir doch nun wenigstens soweit, daß es zu einer Entscheidung kommen wird, und damit liegt ja dann auch das Ende des Krieges nicht mehr gar so weit entfernt. Aber dort an der Küste muß es ja furchtbar sein und ist es erstaunlich, was unsere Soldaten so leisten. Was meinst Du dazu, kleiner Mann? Trotzdem daß es doch schon so lange vorbereitet war, schlug es doch wie eine Bombe ein, als man die Nachricht hörte.
Mutti und Lisa waren gestern bei Papa zu Besuch. Am Sonntag geh ich mit. Geröntgt ist Papa immer noch nicht worden, und kann man deshalb noch nichts genaues erfahren. Aber essen darf er immer noch nichts, und wiegt nur noch 100 Pfund. Da muß er tüchtig rausgefuttert werden, wenn er wieder aus dem Krankenhaus entlassen wird. Aber der Koch ist dort sehr gut. Mit der Wohnung ist es auch so eine Sache. Mit einem mal sollen die zwei leeren Zimmer 60 M kosten, und auch den Balkon sollen die anderen nehmen. Evtl. haben sie Aussicht eine Wohnung in dem Hause zubekommen, in dem Kunads ihr Büro haben, dort wären es zwei Zimmer und Küche mit Glasbalkon mit Heizung. Das wäre natürlich in Bezug auf den Garten und so am idealsten. Lisa und Frau Stoffinger waren bei dem Hauswirt, und ist es dem recht. Nun geht es aber erst noch nach dem Wohnungsamt. Wenn die Sache erst mal
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