Bleicher Tod - Winkelmann, A: Bleicher Tod
antwortete sie stattdessen leise und vermied es, die Tür anzusehen.
»Passt der Haustürschlüssel auch für diese Tür?«
Nicola schüttelte den Kopf. »Dafür gibt es einen anderen, aber den hat mein Mann.«
Die Polizistin kam über den kurzen Flur zurück in die Küche.
»Kann ich Ihnen nicht doch einen Tee machen?«, fragte Nicola hastig.
Sie wollte nicht nur von der Tür ablenken, sondern auch von allem anderen, am besten gleich von dieser komplett wahnsinnigen Idee, ihren Mann aus dem Haus zu werfen. Wie hatte sie sich nur darauf einlassen können? Sie kannte ihn doch. Er würde sich das niemals gefallen lassen. Irgendwann würde diese freundliche und sehr selbstbewusste Polizistin verschwunden sein, und dann säße sie ganz allein hier im Haus.
Wer würde sie dann beschützen?
Die Polizistin schüttelte den Kopf. »Ist nett, aber ich möchte wirklich nicht. Können wir uns einen Moment setzen?«
Nicola sackte auf einen der Stühle neben dem Küchentisch. Die Beamtin nahm gegenüber Platz.
»Ist Ihnen der Ablauf soweit klar?«, fragte sie.
Nicola beantwortete die Frage mit einem kraftlosen Kopfschütteln.
»Dass er aus dem Haus muss … Ich weiß nicht … Er wird das nicht verstehen«, sagte sie. »Und dann auch noch diese Anzeige … Können wir das nicht rückgängig machen?«
Sie sah die Polizistin mit flehendem Blick an.
Tanja Schildknecht seufzte. »Das geht nicht. Nicht Sie selbst, sondern die Polizei stellt in einem Fall von häuslicher Gewalt einen Strafantrag, und der wird dann auch weiterverfolgt. Und darüber bin ich wirklich froh. Wissen Sie, Sie sollten sich wirklich keine Gedanken machen, ob Ihr Mann das versteht oder nicht. Jetzt zählen nur Sie und Ihre Sicherheit.«
Nicola senkte den Blick und betrachtete ihre Finger, die einfach nicht ruhig sein wollten. Wie Spinnenbeine tänzelten sie über die Tischplatte. »Er war ja nicht immer so … Es hat auch schöne Zeiten gegeben, wissen Sie … Für ihn ist das alles auch nicht einfach und …«
Tanja Schildknecht schüttelte den Kopf. »Sie dürfen jetzt keinen Rückzieher machen. Ihr Mann wird es wieder tun. Hören Sie bitte auf mich. Gehen Sie gleich am Montag zu der Beratungsstelle, deren Karte ich Ihnen gegeben habe. Dort wird man Ihnen helfen. Sie müssen vor Gericht ein Annäherungsverbot gegen Ihren Mann erwirken, damit sie dauerhaft sicher sind. Das ist wichtig!« Das Handy der Polizistin klingelte. Mit einem schnellen Handgriff nahm sie das Gespräch entgegen.
Im selben Moment hörte Miriam auch schon das Motorgeräusch.
»Okay«, sagte die Polizistin ins Handy. »Wie besprochen.« Dann steckte sie es weg, stand auf und sah Nicola an. »Es ist soweit.«
Nicola fühlte sich plötzlich kraftlos. Sie versuchte gar nicht erst aufzustehen, ihre Beine würden sie sowieso nicht tragen. Ihre Finger verkrampften sich ineinander.
»Ich habe Angst.« Ihre Stimme zitterte. »Ich weiß nicht, ob das richtig ist.«
Tanja Schildknecht beugte sich zu ihr hinab und nahm ihre Hände. »Es ist richtig, glauben Sie mir. Sie bleiben einfach hier, okay. Mein Kollege und ich, wir regeln das für Sie. Am besten, Sie lassen sich gar nicht sehen. Wir werden Ihren Mann nur kurz ins Haus lassen, damit er sich ein paar Kleidungsstücke und persönliche Gegenstände holen kann, aber wir lassen ihn auf keinen Fall in die Küche. Okay?«
Nicola nickte. Die Tränen begannen zu laufen, und die Narbe über ihrem Auge pochte heftig.
Tanja Schildknecht verließ die Küche und zog die Tür hinter sich zu. Sie durchquerte den großen Eingangsbereich, öffnete die Haustür und blickte in das erschrockene Gesicht eines Mannes, der gerade seinen Schlüssel ins Schloss stecken wollte. Im Hintergrund sah sie ihren Kollegen über die Auffahrt heraneilen.
»Was zum …«
Tanja stellte sich vor und zeigte ihren Dienstausweis. »Ihre Frau hat uns hereingelassen. Sie war heute im Krankenhaus, um die Platzwunde behandeln zu lassen, die Sie ihr zugefügt haben. Gegen Sie wurde von Amts wegen ein Strafantrag wegen Körperverletzung gestellt. Nach § 2 des Gewaltschutzgesetzes spreche ich hiermit gegen Sie ein Hausverbot aus. Dieses ist zunächst auf sieben Tage befristet. Haben Sie das verstanden?«
»Sie ticken wohl nicht ganz richtig.«
»Seien Sie vorsichtig mit dem, was Sie sagen«, sagte Hartmut Siek in seinem Rücken.
Der Herr des Hauses sah sich plötzlich eingezwängt zwischen zwei Polizisten in Uniform.
»Was ist hier eigentlich los?«
»Meine
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