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Bleicher Tod - Winkelmann, A: Bleicher Tod

Bleicher Tod - Winkelmann, A: Bleicher Tod

Titel: Bleicher Tod - Winkelmann, A: Bleicher Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Winkelmann
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angelaufen.
    Wurde sie etwa krank?
    Gerade jetzt, am Beginn eines neuen Falls, konnte sie das gar nicht gebrauchen. Vielleicht war es ja auch nur die entsetzliche Grausamkeit, die ihr so zu schaffen machte, und die Angst davor, dass, wenn sich diese Tür gleich öffnen würde, sie dem erneuten Ansturm des Unvorstellbaren nicht gewachsen sein würde.
    Anou an ihrer Seite zu haben, etwas von ihrer Kraft zu tanken wäre jetzt schön gewesen. Doch die musste sich um anderes kümmern. Es gab einfach zu viel zu tun für zu wenig Mitarbeiter.
    Nach einer halben Minute öffnete Dr. Quandt.
    Er trug einen sauberen grünen Kittel, aber keine Haube und keine Handschuhe, und Nele gab sich der Hoffnung hin, er sei mit der vorläufigen Leichenschau schon durch. Im Gegensatz zu den harten Hunden aus amerikanischen Filmen wollte sie nämlich nicht dabei sein. Es war auch gar nicht nötig. Dr. Quandt hatte schließlich einen Mund, er konnte ihr berichten, was er herausgefunden hatte. Und was die Vier-Augen-Vorschrift anging, die bei Leichenschauen galt, da hatte er ja schließlich genügend Mitarbeiter zur Verfügung.
    »Langer Tag, was?«, begrüßte er sie.
    »Kann man sagen.«
    Quandt ging voraus und schleuste sie durch eine weitere Tür. Sie hielten sich rechts und gelangten in sein mit Eichenholzmöbeln behaglich ausgestattetes Büro. Zu der ansonsten kühlen und aufgeräumten Atmosphäre des Gerichtsmedizinischen Institutes stand es in starkem Kontrast, und man erwartete förmlich, darin einen Pfeife schmauchenden, alten Mann vorzufinden. Nele hatte sich in dem Raum immer wohlgefühlt, und auch jetzt schien er eine beruhigende Wirkung auf sie auszuüben.
    »Haben Sie etwas für mich?«, fragte sie und betrachtete ein Foto an der Wand neben der Tür. Es zeigte Quandt mit seiner Frau an einem See in Schweden. Sie wusste, dass er dort ein Grundstück mit Haus besaß, wo er vorhatte, seinen Lebensabend zu verbringen.
    Quandt ließ sich hinter seinen Schreibtisch fallen, nahm die Brille ab und rieb sich die Augen. »Nichts, was zu einer Verhaftung führen würde. Aber einiges kann ich Ihnen schon sagen … Bitte, setzen Sie sich doch.«
    Nele trat von dem Foto zurück und ließ sich auf den Besucherstuhl fallen.
    Er sah sie lange an, bevor er begann. »Was wissen Sie über Wasserstoffperoxid?«
    Nele zuckte mit den Schultern. »Na ja, es ist in den letzten Jahren ins Gerede gekommen, weil Terroristen es zum Bombenbauen einsetzen.«
    Nele wusste, dass 2007 eine Terrorzelle in Deutschland aufgeflogen war, weil die Mitglieder große Mengen Wasserstoffperoxid beschafft hatten.
    Quandt nickte. »Es kommt auf die Konzentration an. Man kann damit Bomben bauen oder Haare aufhellen … oder Haut.«
    Nele sah plötzlich wieder die Leiche in dem Schweinekoben vor sich. Diese schrecklich zugerichtete, weiße, farblose Leiche. »Sie meinen …«
    Er nickte erneut und schob sich die Brille auf die Nase. »Er bleicht seine Opfer.«
    Schweigend starrten sie sich an.
    Nele musste Klaus Quandt nicht darauf aufmerksam machen, dass es nur ein Opfer gab. Sie wusste genau, was er mit der Verwendung des Plurals ausdrücken wollte.
    Quandt räusperte sich. »Bekommt man eine wässrige, fünf- bis zwanzigprozentige Lösung von Wasserstoffperoxid auf die Haut, bilden sich Sauerstoffemphyseme, was oft mit einer Verätzung verwechselt wird, streng genommen aber keine ist. Wasserstoffperoxid in dieser Konzentration zersetzt sich in der Haut schnell zu Sauerstoff und Wasser. Die sich bildenden Bläschen lassen die Haut dann weiß erscheinen – sie wirkt gebleicht.«
    »Und daran ist das Opfer gestorben?«
    Er schüttelte den Kopf. »Nein. Diese Konzentration führt zu den besagten Bläschen, der Weißfärbung, und aufgrund der Ausdehnung des Sauerstoffs auch zu Juckreiz oder Schmerzen. Im Allgemeinen bilden sich die Symptome jedoch spontan und rasch zurück, ohne nachteilige Folgen. Der Täter hat aber eine höhere Konzentration verwendet. Ich tippe auf eine vierzigprozentige Lösung. Die wirkt stark ätzend. Sie zerstört sämtliche Hautschichten.«
    »Großer Gott!«, entfuhr es Nele.
    »Das Opfer ist vorher gestorben. Die Todesursache ist ein toxisches Lungenödem, hervorgerufen durch das Einatmen der Dämpfe.«
    »Geht …«, Nele spürte, wie ihr die Gedanken entglitten. Sie musste sich zusammenreißen, um die Frage zu stellen. »Wie schnell trat der Tod ein?«
    »Es kann weit mehr als achtundvierzig Stunden gedauert haben.«
    Indem sie kurz die Augen

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