Bleicher Tod - Winkelmann, A: Bleicher Tod
München sprechen willst, ist das auch okay. Ich dachte nur, dich bedrückt vielleicht etwas.«
Ihr Blick entspannte sich, und sie begann, mit seinen Fingern zu spielen.
»Schwierig?«, fragte Alex.
Jördis nickte.
»Soll ich jemanden für dich verprügeln?«
Das entlockte ihr ein vorsichtiges Lächeln. »Das könntest du, oder?«
»Ein Wort von dir, und der Mann ist erledigt.«
»Ich denk drüber nach.«
An der Art und Weise, wie ihre Kieferknochen hervortraten, erkannte er, dass sie alles andere als entspannt war.
Seit einem halben Jahr studierte sie Schauspiel an der Berufsfachschule für Darstellende Kunst in München, schien aber zunehmend Probleme mit der einen oder anderen Autorität dort zu haben. Jördis war ein oppositioneller Mensch durch und durch. Sobald etwas nach Befehl klang, musste sie dagegen angehen. Die nötige Kraft und das Durchsetzungsvermögen dafür hatte sie, aber die fehlende Lebenserfahrung ihrer Jugend ließ sie nicht einmal ahnen, welche Widerstände eine solche Einstellung provozieren konnte. Sie zu drängen, darüber nachzudenken, hatte keinen Sinn. Sie hielt ihm dann sofort vor, zu angepasst zu sein. Dabei wollte er doch nur seine eigene Erfahrung mit ihr teilen – gerade bei dem Thema hatte er mehr als genug davon.
»Günzner hat gesagt, mir fehlt Talent«, sagte sie schließlich.
»Wer ist das?«
»Der Lehrer für Methode Acting.«
»Und er ist kein oberflächliches Arschloch, sonst würde seine Meinung dich nicht so belasten, oder?«
Jördis schüttelte den Kopf. »Er ist arrogant, aber das sind sie da alle. Trotzdem ist er echt gut, wahrscheinlich der Beste an der Schule.«
Ihre Augen waren jetzt feucht, und ihre Stimme zitterte leicht, als sie sagte: »Vielleicht hat er Recht.«
»Auf wie viele richtig gute Schauspieler hätten wir verzichten müssen, wenn die sich durch so etwas von ihrem Lebenstraum hätten abbringen lassen? Komm schon, Jördis! Das ist eine Einzelmeinung. Vielleicht kann er einfach deine selbstbewusste Art nicht leiden.«
»Das ist es ja. Ich bin mir nicht mehr sicher, ob es wirklich mein Lebenstraum ist.«
»Wenn du davon sprichst, wenn du vor mir Textpassagen übst … Du solltest deine Augen sehen dabei … Die Lebendigkeit darin ist für einen alten Mann wie mich kaum zu ertragen. In diesen Momenten bist du schon die Schauspielerin, die du sein willst.«
Ihre Hand schloss sich mit jedem Wort fester um seine Finger, und dann geschah etwas, was Alex bei ihr noch nie erlebt hatte: Eine Träne rann aus ihrem linken Auge.
Sie wischte sie schnell weg und lachte. »Jetzt werde ich auch noch zur Heulsuse.« Dann beugte sie sich vor und küsste ihn auf den Mundwinkel. »Danke«, sagte sie leise, »das habe ich gebraucht.«
»Ich mach dir einen Vorschlag«, sagte Alex. »Bleib eine Woche bei mir, gewinn etwas Abstand, und dann gehst du es mit neuer Kraft an. Für Kost und Logis musst du aber arbeiten.«
»Prostitution kommt nicht in Frage.«
Einige der anderen Gäste schielten zu ihnen herüber.
»Ich meine es ernst«, sagte Alex. »Ich könnte deine Hilfe brauchen. Deine und Carlas.«
»Bei deinen Ermittlungen?«
»Genau.«
»Was sollen wir machen?«
Alex weihte sie in seinen Plan ein.
Simone Lachnitt, die achtundzwanzigjährige Polizistin, die für ihre Bewachung abgestellt worden war, saß Miriam gegenüber in Jeans und T-Shirt auf der Couch im Wohnzimmer. Im Kachelofen polterte ein Stück Holz nach unten durch. Sofort warf Miriam einen Blick zum Fenster. Über den Feldern war längst der Mond aufgegangen. Nur ein Hauch fehlte ihm noch zur Vollendung, und sein Licht floss bleich über die unberührten, weiten Schneeflächen. Von ihrem Platz aus würde sie es sehen, sollte sich jemand dem Grundstück von hinten nähern. Der Wind hatte in den letzten Stunden ordentlich zugelegt, immer wieder drückten kräftige Böen gegen die Fenster. Sturmtief Xynthia ließ bereits die Muskeln spielen.
»Ich würde Rollläden installieren lassen«, sagte Simone Lachnitt. »Dein Haus steht echt einsam.«
Miriam nickte. »Daran gedacht habe ich auch schon. Aber das kostet eine Menge Geld, und diese Kästen in den Fenstern würden das Haus nicht unbedingt verschönern.«
»Sicherheit geht aber vor. Du siehst das doch genauso, oder? Sonst hättest du dich nicht in Selbstverteidigung ausbilden lassen.«
»Na ja, stimmt schon. Aber hier im Haus habe ich mich bisher immer sicher gefühlt … Das Training war nur für die Welt da
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