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Bleiernes Schweigen

Bleiernes Schweigen

Titel: Bleiernes Schweigen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ferruccio Pinotti , Patrick Fogli
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Tür einen Spaltbreit geöffnet, aber du hast noch immer keine Ahnung, was sich in dem Zimmer dahinter verbirgt. Und auch wenn du denkst, du wüsstest es, glaub mir, du wirst dich wundern.«
    »Weißt du es denn?«
    Er sagt nichts. Streckt mir die Hand hin.
    »Gute Reise, Schreiberling.«
    Ich drücke seine Hand und bereue es sofort.
    Schweigend stehe ich da und sehe zu, wie er Richtung Desiderata davonfährt.
    Er verschwindet in der warmen Nacht. Und ich werde ihn nie wiedersehen.

 
    »Denn wir hier sind alle verrückt, verrückt und einsam und ohne die Chance auf ein Vor oder Zurück, auf ein Gewinnen oder Verlieren, als folgten wir unermüdlich einem unsichtbaren, auf dem Grund eines leeren, lichtlosen Brunnens gezogenen Kreis.«
    Javier Cercas, La velocidad de la luz  
     
    Der Junge ist um die zwanzig, Jeansjacke, dunkles Haar, die Hose zwischen hellblau und grau, hastiger Gang, der selbstsicher wirken soll, aber tatsächlich eine Flucht vor seinen Ängsten ist.
    Die eine Hand steckt in der Jacke, die andere umklammert ein zigarrenschachtelgroßes Päckchen. Ohne auf Grün zu warten, überquert er den Zebrastreifen und sieht einer Frau um die vierzig mit dunklen Augen, kurzem Haar und kurzem Rock nach.
    Er wirft einen Blick auf sein Handy, schaut sich um und entdeckt sein Ziel.
    Ein paar, schnelle, forsche Schritte genügen, und schon ist er bei der Filiale der Fin Art.
    Der Mann, der ihn empfängt, trägt einen dunklen Anzug und einen äußerst gepflegten kurzen Vollbart.
    »Kann ich helfen?«
    »Ich suche Arianna Lo Giudice«, sagt der Junge.
    Der Mann mustert ihn einen Moment. Der Junge wartet und hält seinem Blick stand.
    »Sie ist nicht da.«
    Er zeigt das Päckchen.
    »Ich soll ihr das hier bringen. Es war verabredet, dass ich es ihr ins Büro bringen sollte. Heute.«
    Der Mann streckt die Hand aus.
    »Du kannst es mir geben.«
    Der Junge zieht die Hand zurück.
    »Nein. Ich muss es ihr persönlich geben. Mein Chef reißt mich sonst in Stücke.«
    Der Mann lächelt.
    »Keiner würde es wissen.«
    Der Junge lächelt.
    »Ich schon.«
    Der Mann gibt auf und verschränkt die Arme.
    »Wie du willst, aber Arianna ist nicht da.«
    »Wann kommt sie denn wieder?«
    »Das darf ich dir nicht sagen. So sind nun mal die Vorschriften.«
    Der Junge zieht die Braue hoch. Dieser Job ist lustiger, als er gedacht hätte.
    »Klar. Die Vorschriften.«
    »Tut mir leid.«
    Der Mann dreht sich um und lässt ihn stehen.
    »Sie ist in Urlaub.«
    Das Flüstern kommt von rechts. Der Junge dreht sich um. Die Frau, die gesprochen hat, ist entweder magersüchtig oder krank. Sie hat gütige Augen, die hin und wieder in die Richtung blicken, in der der Mann verschwunden ist. Sie deutet auf das Päckchen.
    »Das ist ein Handy, richtig?«
    Der Junge nickt.
    »Arianna hat immer so tolle. Ich glaube, in ein paar Wochen ist sie wieder hier. Sie hat ganz plötzlich Urlaub genommen.«
    »Danke«, sagt der Junge lautlos und geht.
    Es ist genau so gelaufen, wie sie es vorausgesagt hatten, und jetzt gibt es noch zwei Dinge zu erledigen, ehe der Tag zu Ende ist.
     
    »Bist du sicher?«
    Danieles Hände sind schweißnass. Er klemmt das Telefon ans andere Ohr, wischt die Hand an der Hose ab und greift wieder nach dem Apparat.
    Es ist das dritte Mal, dass er das tut.
    »Bist du wirklich sicher?«
    Er merkt, wie blöd die Frage klingen muss. Die Person, mit der er redet, ist kein Anfänger und hat ihre Vertrauenswürdigkeit bereits hinlänglich bewiesen. Doch die Information ist zu brisant, als dass er sich einen Fehler erlauben könnte.
    Wieder wechselt das Telefon die Hand. Auf der anderen Seite herrscht Schweigen.
    »Weißt du’s oder hat man es dir gesagt?«
    Eine knappe Antwort, und er nickt.
    »Ja, du hast recht, entschuldige. Du verstehst doch, dass ich …«
    Er bricht ab.
    »Warte.«
    Er steht auf. Geht zur Tür. Horcht, das Telefon gesenkt. Er ist sicher, es klopfen gehört zu haben. Du bist paranoid, denkt er. Er nimmt die Unterhaltung wieder auf.
    »Diese Sache bleibt unter uns, das weißt du.« Gleich darauf legt er auf.
    Mit starr auf die Wand gerichtetem Blick lässt er sich gegen die Rückenlehne des Sessels sinken.
    Es ist der, der du denkst.
    Der Satz geht einfach nicht weg. Der Mann am Telefon hat das Gespräch damit begonnen, und das war’s. Der Rest war der müßige, lästige Versuch, ihm einen Fehler oder eine Ungenauigkeit nachzuweisen.
    Fehler oder Ungenauigkeiten existieren nicht in seiner Art, ihm Informationen zukommen

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