Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Bleiernes Schweigen

Bleiernes Schweigen

Titel: Bleiernes Schweigen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ferruccio Pinotti , Patrick Fogli
Vom Netzwerk:
beteiligt, als Baudenkmäler in die Luft fliegen. Ein paar Mal sogar mit menschlichem Kollateralschaden. Ein kleines Mädchen zum Beispiel.«
    Ich mache eine Pause. Sehe die Gleichgültigkeit, mit der er mir zuhört.
    »Ist dir eigentlich klar, wie merkwürdig das klingt?«
    Sehr langsam wendet er sich mir zu. Wie ich ihn ansehe, kommt mir der Gedanke, dass wir aussehen wie zwei Veteranen aus weit zurückliegenden Kriegen, die sich nach Jahren dazu durchgerungen haben, die Vergangenheit für einen Abend wieder auszugraben, ehe sie sich für immer voneinander verabschieden.
    »Du hast mir gut zugehört, das muss ich dir lassen. Nein, wirklich, ich mein’s ernst. Doch ein Detail ist dir entgangen. Das passiert der Journaille oft. Geschichten können so merkwürdig sein, wie sie wollen. Unwahrscheinlich, unlogisch, wie auch immer. Völlig klar. Doch bei Ermittlungen und in einem Gerichtssaal zählen die Beweise. Ohne Beweise löst sich alles in Luft auf.«
    Er fährt mit der Hand durch die Luft.
    »Kreide auf einer Tafel. Puff!«
    Plötzlich bricht er in Lachen aus.
    »Entschuldige bitte. Ich glaube, wir haben zu viel getrunken. Ich musste gerade an etwas Lustiges denken und …«
    »Und woran?«
    Er fährt sich mit der Hand übers Gesicht, um die Müdigkeit wegzuwischen.
    »Vergiss es. Wie gesagt, zu viel Alkohol. Und außerdem tut niemand etwas umsonst. Merk dir das. In der Welt, aus der du stammst, kommt das vielleicht noch vor, aber ich bezweifele es. In meiner passiert es nie.«
    »Und deine Beweggründe?«
    Auf einmal wird er sehr ernst.
    »Ich wollte nicht fliehen, ich wollte nicht in den Knast, ich wollte nicht sterben. Ich hab kurz darüber nachgedacht, und das erschienen mir drei sehr triftige Gründe.«
    Dem kann man kaum widersprechen.
    »Wieso hast du mit mir geredet?«
    Er überlegt. Und stellt eine Gegenfrage.
    »Die Wahrheit?«
    »Kannst du denn die Wahrheit sagen?«
    Er antwortet mit einem seltsamen französischen Akzent. Offenbar merkt er es noch nicht einmal. Es wäre lächerlich, wenn es nicht so nervig wäre.
    »Ich vergaß, dass du mir nicht glaubst.«
    »Nicht immer. Sagen wir, ab und zu übertreibst du mit dem, was du auslässt.«
    »Worte, um die Werke zu beschreiben und das, was verborgen gehört, zu verbergen.« Er blickt auf den Pool. »Wenn du so gut bist, wie ich glaube, hast du schon längst begriffen, was ich dir nicht gesagt habe.«
    »Die Frage bleibt.«
    »Wieso ich mit dir rede? Ehe ich antworte, würde ich gerne klarstellen, dass ich es auch ohne dein anfängliches Bekenntnis getan hätte. Aber ich danke dir dafür. Ansonsten würde ich sagen, die Wahrheit liegt in deinem Namen, so trübe, konformistisch und unrevolutionär er auch sein mag. Ich vertraue deinem Vater und dir im weiteren Sinne. Solltet ihr eines Tages beschließen, über mich zu schreiben, werdet ihr meiner Person hoffentlich gerecht.«
    Ich lächele grimmig.
    »Über dich schreiben? Wie kommst du darauf, dass …«
    Er fällt mir ins Wort.
    »Aus zwei Gründen. Erstens ist mein Leben ein Roman. Und zweitens ist es wert, erzählt zu werden.«
    Ich schüttele den Kopf. Ich kann einfach nicht ernst bleiben. Vor mir sitzt ein bekennender Mörder und krankhafter Lügner, der sich womöglich anderer Leute Taten andichtet. Einer, der Geheimnisse ausplaudert, von denen er keines beweisen kann.
    Er hat recht, seine Geschichte müsste aufgeschrieben werden.
    »Doch es gibt einen anderen Grund.«
    Er ist plötzlich wieder ernst.
    »Du hast mir nicht die Frage gestellt, die mir jeder andere gestellt hätte.«
    »Bist du vom Geheimdienst?«
    Er nickt.
    »Das brauche ich nicht.« Er wirkt überrascht, aber ich lasse ihn nicht zu Wort kommen. »Aus zwei Gründen.« Er grinst. »Erstens, weil ich weiß, dass du es nicht bist. Und zweitens, weil ich sicher bin, dass du es bist.«
    Er schweigt und sieht mich lange an.
    »Wenn ich du wäre, hätte ich nicht so eine Eile, nach Italien zurückzukehren.«
    »Ein Vorschlag?«
    »Es gibt noch so viel zu sehen. Und noch so viel zu hören.«
    »Ich bin ganz Ohr.«
    Er scheint unschlüssig, ob er weiterreden soll. Schweigend blickt er auf den Pool. Das Meer wirkt noch näher als sonst.
    »Kennst du dieses große Haus auf der anderen Seite der Insel?«
    »Das auf der Klippe? Das hat man von weitem gesehen, als wir bei den Schildkröten waren.«
    »Genau das. Ich glaube, der Mann, der da wohnt, könnte dir eine interessante Geschichte erzählen.«
    Ich setze mich auf.
    »Kennst du

Weitere Kostenlose Bücher