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Bleiernes Schweigen

Bleiernes Schweigen

Titel: Bleiernes Schweigen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ferruccio Pinotti , Patrick Fogli
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nicht, was?«
    »Die Wahrheit?«
    »Spielen wir nicht genau darum?«
    Bis heute weiß ich nicht, ob er mich provozieren wollte oder ob er es wirklich für ein Spiel hielt. Eine Theatervorstellung zu seinen eigenen Gunsten, in der er sämtliche Rollen innehatte, oder der gelungene Versuch, den Zündstoff aus meiner Müdigkeit und meiner unterschwelligen Wut zur Explosion zu bringen. Wenn ich an jenen Moment zurückdenke, empfinde ich jedenfalls die gleiche Wut wie damals.
    Ohne nachzudenken habe ich sie ihm auf den Pelz gebrannt.
    »Das hier ist kein Spiel. Das hab ich dir doch schon zu erklären versucht. Ich bin nicht hier, um den Schwachsinn von der Wahrheit zu trennen, und auch nicht, um aus deinem Mund zu hören, was ich ohnehin schon weiß. Ich bin hier, um Antworten zu bekommen.«
    Er hält mir das Glas hin. Es sind noch drei Finger orangefarbener Flüssigkeit darin.
    »Trink«, sagt er. »Das hast du nötig.«
    Ich habe das Gefühl, in einer Welt gelandet zu sein, in der sich die physikalischen Gesetze ändern, sobald man meint, sie begriffen zu haben. Und ich bin einfach zu müde, um dieses Versteckspiel noch weiter zu spielen.
    Ich nehme das Glas und leere es in zwei Schlucken. Ich kann es gerade noch auf dem Boden abstellen, ehe sich der Pool zu drehen beginnt. Ich lehne mich zurück und höre ihn lachen.
    »Was ist dir denn nicht klar, Herr Schreiberling?«
    Die Frage dröhnt eine Ewigkeit in meinem Kopf. Als ich den Blick vom Wasser losreiße, bin ich überzeugt, dass er gegangen ist. Doch er sitzt da, bequem in den Sessel gelehnt, wie ein x-beliebiger Neureicher, der in seinem Feriendomizil am Meer seinen Rausch ausschwitzt.
    »Also, was ist dir nicht klar? Lass mal hören.«
    Er hat die Augen geschlossen und öffnet sie erst, als ich zu sprechen anfange.
    »Die machen dich zum Prüfer bei einer Bekleidungsfirma. Wie ist das möglich, wenn du noch nicht mal Vertreter warst? Wer hat dich eingestellt? Wer hat dich empfohlen?«
    Seufzend setzt er sich zurecht und stützt einen Ellenbogen auf die Lehne. Ich rede weiter.
    »Lass mich die Sache mal so rekapitulieren, wie sie ein … sagen wir, ganz normaler Durchschnittsmensch sieht, okay? Du landest unter falschem Namen im Knast, während sie dich wegen des Anschlages in Bologna suchen. Als du drin bist, versucht der Kommandant eines Militärbezirks, deine Identität zu schützen. Er versucht – auch wenn du das nicht erwähnt hast –, deine Akte verschwinden zu lassen. Lassen wir mal beiseite, dass der Untersuchungsrichter am Tag nach der Bombe von Bologna bei dir zu Hause war. Tun wir mal so, als interessierte uns das nicht. Im Knast stecken sie dich mit einem Cosa-Nostra-Boss – mit dem du Freundschaft schließt – und mit einem Boss der ’Nrangheta in eine Zelle. Mit dem wirst du auch warm. Oder besser – ich zitiere dich –, ihr dreht ein paar Dinger. Eine ganze Stadt war in Angst vor diesen Dingern, weißt du das? Wie viele hast du umgebracht? Fünf? Sechs? Wie viele waren es? Du hast eine Granate in eine Bar geschmissen, Herrgott noch mal!«
    Ich schüttele den Kopf. Ich muss dringend ein paar Zigaretten rauchen. Oder noch mehr. Ich atme tief durch.
    »Mit deinem sizilianischen Freund bleibst du jahrelang in Kontakt, rund zehn Jahre. Du hast Scherereien mit zwei Firmen, die nicht zahlen, und statt die Sache irgendwie zu regeln, rufst du ein ganz großes Tier von der Cosa Nostra an, nämlich ihn, Donato Patti. Und fädelst auch noch diesen halben Tauschhandel ein, der in den Attentats-Urteilen mündet. Wenn man kleinlich wäre, könnte man sagen, alles fängt damit an, dass du ihm erzählst, ein paar deiner einflussreichen Politikerfreunde hätten dich um einen Gefallen gebeten. Und er, der mit den Freimaurern und wer weiß wem noch alles klüngelt, glaubt dir. Er glaubt, dass einer wie du, den er hinter Gittern kennengelernt hat und der wegen Kunsthehlerei sitzt, wichtige Beziehungen in die Politik hätte.«
    Er sieht mich nicht an. Er hört zu, die Ellenbogen auf die Schenkel gestützt und den Blick ins Leere gerichtet.
    »Doch Patti kommen Zweifel, du könntest ein Freimaurer oder ein Geheimdienstler sein. Giovanni Brusca hingegen bist du so sympathisch, dass er euch eines Tages bei eurer Unterredung belauscht. Patti zitiert dich in seinem Abschiedsbrief und schreibt wortwörtlich, du seiest ein V-Mann. Doch beide hören genau hin, als du von den Baudenkmälern redest, die man in die Luft sprengen könnte. Und beide sind schließlich daran

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