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Bleiernes Schweigen

Bleiernes Schweigen

Titel: Bleiernes Schweigen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ferruccio Pinotti , Patrick Fogli
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ungewisseste meines Lebens, die Tage auf der Insel noch so nah, dazu der manchmal tagelang anhaltende Nebel und der Versuch, eine schier ungreifbare Geschichte zu durchschauen. Womöglich ein falscher Eindruck, doch ich werde ihn einfach nicht los.
    Die Angst zwingt einen zum Handeln. Abhauen, kapitulieren, verstehen, versuchen, sie zu bezwingen. Warten ist viel schlimmer. Ich lebte in einem Vakuum, im bangen Gefühl, dass alles zu Ende sei, in der Hoffnung auf eine Möglichkeit, weiterzumachen, im Zweifel, dass Andrea und Daniele beschlossen hätten, alles an den Nagel zu hängen.
    Um die Leere zu füllen, hatte ich an meinem Jugendroman weitergeschrieben und plötzlich ein Interesse an Drachen und ähnlichen Kreaturen entwickelt, das so weit ging, dass ich mir nach einer eingehenden Recherche über die Funktionsfähigkeit von Reptilien und primitiven Lebewesen eine Anatomie meines Phantasiegeschöpfes ersann. Zu meinem großen Erstaunen war mein Verleger begeistert und drängte mich zum Weitermachen.
    In Wirklichkeit schwankte ich zwischen Langeweile und hektischem Aktivismus. Ich glotzte mir die Augen vor Fernsehserien, Reality-Shows und Nachrichten viereckig und riss zig Seiten meines Romans runter.
    Das Land der vergessenen Geschichten, hatte ich ihn genannt. Auch das ein Zeichen, dass es um etwas ganz anderes ging.
    Doch nachts änderte sich alles.
    Vor dem Schlafengehen verbrachte ich jedes Mal eine Ewigkeit damit, mich zu fragen, was passieren würde, und versuchte das, was Benetti und Di Donna mir erzählt hatten und was ich mit meinem Vater besprochen hatte, mit der Wirklichkeit zusammenzubringen.
    Und jedes Mal scheiterte ich. An der Müdigkeit, der Erschöpfung, dem Wirrwarr von Eindrücken, mit dem die Gesamtheit aller Einzelheiten mich zu ersticken drohte. Dann, Ende der zweiten Woche, hatte das Telefon geklingelt. Zu dieser nächtlichen Stunde konnte das nur eine Überraschung oder eine Tragödie bedeuten.
    »Können Sie morgen am frühen Nachmittag in Rom sein?« Di Donnas Stimme. Direkt und ohne langes Drumherum.
    »Ja.«
    »Es gibt einen Zug, der gegen vierzehn Uhr da ist, passt das?«
    »Ja.«
    »Perfekt. Bringen Sie Wäsche für mehre Tage mit. Checken Sie ihre Mails.«
    Mit pochendem Herzen und schweißnassen Händen war ich aufgestanden.
    Die Nachricht kam von der IP-Adresse eines riesigen amerikanischen Providers. Ein Platz im Eurostar, erste Klasse.
    Das Warten hatte ein Ende.
     
    »Heute wird man uns nicht unterbrechen.«
    Marco Di Donna empfängt mich in einer Wohnung unweit der Villa Borghese. Hier wohnt er, wenn er in Rom ist, erklärt er mir. Ich verkneife mir die Frage, wie viele andere solcher Wohnungen er rund um den Globus hat.
    Er fragt mich nicht, ob ich Schwierigkeiten hatte, durch den Tunnel hinauszufinden, sagt mir nicht, wie er es geschafft hat, alles binnen weniger Stunden verschwinden zu lassen, und zeigt mir keines der anderen Zimmer der Wohnung.
    In einem sonnendurchfluteten Wohnzimmer nehmen wir auf einem weißen Sofa Platz, er bietet mir einen Kaffee an, lässt durchblicken, dass wir allein sind, und nimmt den Faden da wieder auf, wo er unterbrochen wurde.
    »Addaura«, sagt er, »richtig?«
    »Genau. Der Hintergrund zu meiner Geschichte.«
    »Habe ich das so gesagt? Natürlich, das ist richtig. Wenn auch ein bisschen theatralisch. Entschuldigen Sie bitte.«
    Er lehnt sich seitlich gegen die Rückenlehne und verschränkt die Arme.
    »Wie gesagt, habe ich zahlreiche Untersuchungen zu der Geschichte meines Vaters angestellt, und in einigen Fällen – zufällig, könnte man sagen – bin ich auf andere Dinge gestoßen. Kleinigkeiten, die mit sehr viel größeren Geschehnissen in Zusammenhang stehen.«
    Er zupft an einem Hemdknopf, öffnet ihn, schließt ihn wieder. Dann erzählt er die Geschichte von Vittorio Boni, seinem Vater und dem Mann mit dem Monstergesicht.
    »Manche sagen, er sei dort gewesen, um die Bombe zu legen. Ich persönlich bin da ganz anderer Meinung, aber das Problem bleibt bestehen. Es gibt noch andere solcher Geschichten. Geheimagenten, die sich in die Cosa Nostra einschleusen, ganz dicke mit den hohen Tieren sind und dann Knall auf Fall in Ungnade fallen und auf Nimmerwiedersehen verschwinden. Seltsame Geschichten, finden Sie nicht?«
    »Es geht so.«
    Er beugt sich zum gläsernen Couchtisch vor, auf dem zwei Mappen liegen, eine rote und eine weiße. Er nimmt die weiße auf die Knie, öffnet sie und hält mir ein Blatt Papier hin.
    »Was ist

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