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Bleiernes Schweigen

Bleiernes Schweigen

Titel: Bleiernes Schweigen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ferruccio Pinotti , Patrick Fogli
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geöffnet hat. Niemand hat diese Tür durchschreiten wollen. Kaum ist er aus der Deckung gekommen, haben sie ihn umgebracht. Zwei Tage nachdem er sich an den Schreibtisch eines Richters gesetzt hatte, dem er nicht vollends traute.«
    Er bläst den Rauch aus.
    »Hörst du mir zu?«
    Andreas Stimme gibt der Wirklichkeit ihr richtiges Maß zurück.
    »Ja, klar. Red weiter.«
    »Mit Mazza hat das ziemlich lange funktioniert. Wir haben so getan, als sähen wir nicht, was er tut, hin und wieder habe ich ihm geraten, vorsichtiger zu sein. Und er hat geredet. Zahlreiche Drogenbekämpfungsmaßnahmen jener Jahre basieren auf seiner Mitarbeit. Hin und wieder haben wir Provenzanos Fährte in die Nase gekriegt. Wir haben sogar den Kanal der pizzini anzapfen können, und zwei Mal wurde er dann ganz plötzlich geändert.«
    »Jemand hat gesungen.«
    »Klar. Nur, dass niemand von Mazza wusste. Und niemand wusste, dass wir zumindest einen Teil des Weges nachverfolgen konnten, den diese Zettelchen nahmen. Jedes Mal, wenn das passiert ist, haben wir von vorn angefangen. Vor ein paar Wochen sind sie uns dann auf die Schliche gekommen.«
    Er lehnt sich zurück und bläst den Rauch aus, langsam, distanziert, als wollte er seine Wut darin auflösen.
    »Eines Morgens hat er mich angerufen. Es war noch dunkel und er klang verzweifelt. Sofort haben wir uns auf dem Parkplatz eines Einkaufszentrums getroffen. Er brüllte zusammenhanglose Sätze, sie klangen wie der Schrei eines Tieres. Ich brauchte eine Weile, bis ich begriff, was er sagen wollte. Sie haben meine Familie geschnappt, sagt er. Dann hat er sich mit der Faust so heftig auf den Schenkel gehauen, dass ich glaubte, er wäre gebrochen. Er hat mir gesagt, sie wüssten alles, er sei am Arsch, sie würden sie alle umbringen, und er müsse es wiedergutmachen. Er hat mir nicht sagen wollen, was sie von ihm verlangten. Das habe ich aus dem Fernsehen erfahren. Ihr seid alle Arschlöcher, hat er gesagt. Arschlöcher und elende Scheißkerle. Und ich bin ein Verräter und verdiene den Tod.«
    Daniele horcht auf, die Hand mit der Zigarette halb in der Luft. Er muss etwas sagen, ehe er sie zum Mund führt.
    »Ich habe einen Verräter umgebracht …«, flüstert er. »Damit meinte er sich selbst.«
    Wütend drückt Andrea den Stummel aus.
    »Ja, genau. Und jetzt ist wieder alles ganz anders.«
    Andrea stützt die Ellenbogen auf die Knie. Er erzählt von dem Abend des Fußballspiels. Alles, auch von dem Anruf. Daniele hört mit geschlossenen Augen zu, das Gesicht in die Hände gestützt. Er verharrt so, auch als Andrea fertig ist.
    »Ich will nicht, dass es noch einmal passiert«, sagt er. Er lässt die Hände sinken und sieht Andrea an. »Hast du verstanden? Elena war …«
    »Elena war genauso. Sie sind genau gleich, auch wenn er das nie zugeben würde. Es ist sein Leben, Daniele. Und selbst wenn du wolltest, könntest du ihn nicht raushalten.«
    »Was willst du mir damit sagen?«
    »Dass er uns nützt. Wenn wir der Sache auf den Grund gehen wollen – und diesmal könnte es endlich klappen –, brauchen wir ihn. Er ist Journalist und läuft mit dem Namen seines Vaters herum. Und Adriano hat Dinge gesehen und herausgekriegt, auf die wir nie gekommen wären. Nicht so, nicht in der Geschwindigkeit.« Er fährt sich mit der Zunge über die Lippen und sucht den allzu flüchtigen Nachgeschmack der Zigarette. »Sie war seine Frau«, fährt er fort. »Er hat das Recht dazu.«
    »Klingt ja sehr erbaulich …«
    »Du weißt, dass es nicht so ist.«
    Daniele nickt. Er denkt an Patrizio Benettis Gesicht, wie er es auf zahllosen Fahndungsfotos gesehen hat. An das, was er über seine Treffen mit Patti weiß. Kopfschüttelnd versucht er das grimmige Lächeln auf seinen Lippen loszuwerden.
    »Ich will mit Antonio Baldacci reden«, sagt er. Und zum ersten Mal seit dem Beginn ihres Treffens ist Andrea sich sicher, dass alles tatsächlich wieder von vorn losgeht.
    An einem Juninachmittag des Jahres 1996 hat Daniele ihn nicht weit von hier um seine Mithilfe bei einer aussichtslosen Ermittlung gebeten. Auf die Aussage eines Pentito hin war eine Akte wieder geöffnet worden. Die Aussage klang absurd, passte jedoch perfekt ins Gesamtbild.
    »Wir haben es getan, weil sie es von uns verlangten.«
    Er hat Antonio Baldaccis Worte noch genau im Ohr.
    »Wir haben es getan, weil sie es von uns verlangten, und wir haben Scheiße gebaut.«
    Er sprach von den Anschlägen in der Via d’Amelio, in der Via Fauro und bei der

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