Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Bleiernes Schweigen

Bleiernes Schweigen

Titel: Bleiernes Schweigen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ferruccio Pinotti , Patrick Fogli
Vom Netzwerk:
müssen.«
    Ich lasse den Stift sinken.
    »Sie verlassen 1981 die Bank. Wieso verfolgen Sie ihr Schicksal weiter?«
    »Das habe ich mich auch oft gefragt. Die einzige Antwort, auf die ich gekommen bin, ist, dass die Bank mein Leben bedeutete. Vor einigen Tagen habe ich in der Zeitung ein Interview mit einem Mann gelesen, der die Interessen von Asbestopfern vertritt. Er hat etwas gesagt, das ich nur bestätigen kann. Keiner der Arbeiter, die dem Asbest ausgesetzt waren und dann erkrankt sind, wird schlecht von dem Unternehmen sprechen, das ihr Leid zu verantworten hat. So schrecklich es ist, für sie wird es immer der Ort bleiben, der ihre Familien ernährt hat. Verstehen Sie? Für mich und die BCM gilt das Gleiche.«
    Die Katze wacht ganz plötzlich auf. Sie hebt den Kopf, wirft Ferrarini einen langen Blick zu und verschwindet.
    »Es gibt Regen«, sagt er. »Meo ist verlässlicher als jedes Barometer.«
    »Meo?«
    »Ganz genau. Wundern Sie sich nicht über den Namen. Sie haben sie noch nicht miauen hören. Haben Sie Lust auf einen Tee?«
     
    Antonio Baldacci ist schwarz gekleidet.
    Hose, Hemd, Schuhe, seidenes Halstuch.
    Man nennt ihn »The Hand«, und ein Händedruck genügt, um zu wissen, warum.
    Er lebt abgeschirmt und von drei Wachmännern geschützt in einem restaurierten Landhaus, in dem er sich aufführt wie ein Schlossherr. Er lächelt in die Runde, verteilt Höflichkeiten und kleine, huldvolle Gesten. Er spricht perfektes Italienisch, das er hin und wieder mit einem englischen oder sizilianischen Akzent verbrämt. Man könnte meinen, er täte es absichtlich.
    »Ich erinnere mich an diesen Satz, Dottore. Ich erinnere mich noch gut. Es amüsiert mich, dass Sie ihn nicht vergessen haben.«
    Er könnte ein Industrieller sein. Ein Firmenchef aus einem Fünfzigerjahre-Film, der sich zusammen mit seinen Angestellten eine goldene Nase verdient. Stattdessen ist er ein Cosa-Nostra-Mann, dessen Stammbaum an Verbrechen, Morden und Mafia-Beziehungen selbst für einen Experten schwer zu durchschauen ist.
    Ein Mann, der vieles weiß, vielleicht alles, was man braucht, und der die Kunst des gleichzeitigen Redens und Schweigens perfekt beherrscht.
    Andrea hat ihn gefunden und versucht, möglichst unbemerkt zu bleiben. Offiziell sind weder er noch Daniele in diesem Haus.
    »Glauben Sie, den hätte ich vergessen können?«
    Baldacci schaut den Richter an und nestelt an seiner Armbanduhr. Metallgehäuse, Sammlerstück.
    »Nein, Sie haben recht. Setzen Sie sich.«
    Er führt sie in den Salon. Ledersofa und zwei Sessel, die einen niedrigen, hölzernen Couchtisch einrahmen, eine antike Tür, überarbeitet und mit aufgesetzten Scharnieren.
    »Sie haben darauf gedrängt, mich zu sprechen, und hier bin ich.«
    Er schlägt die Beine übereinander, legt die Hände aufs Knie und lächelt abwartend.
    »Wir haben es getan, weil sie es von uns verlangten. Und wir haben Scheiße gebaut«, sagt Daniele. Es ist das zweite Mal, dass er diesen Satz zitiert. »Wir sind hier, um über diese Scheiße zu reden, Signor Baldacci.«
    Der Hausherr hebt kaum merklich die Augenbraue.
    »Finden Sie das nicht ein wenig zu viel verlangt, Dottore? Was lässt Sie glauben, dass ich darauf eingehen werde?«
    »Manchmal reicht es, eine Frage zu stellen, um eine Antwort zu bekommen.«
    »Manchmal, natürlich.«
    Daniele schweigt. Baldacci mustert ihn immer noch. Dann bricht der Richter das Schweigen.
    »Sie zeigen keine Reue. Sie sind einer der wenigen, mit denen ich geredet habe, die nicht so tun, als würden sie ihre Taten verleugnen.«
    »Ich bin ein Corleonese, Dottore. Es gibt nichts, was ich mir vorwerfen oder wofür ich mich schämen müsste. Cosa Nostra ist auch meine Heimat. So war es und ist es noch immer. Einmal hat sich einer Ihrer Kollegen eine Gedankenlosigkeit erlaubt. Ich hörte, wie er mich aus Versehen als Pentito bezeichnete. Ich bin stinksauer geworden. Dieser Fehler hätte ihm nicht unterlaufen dürfen. Worte haben ihre eigene Bedeutung, zumindest für mich. Und ich habe nichts bereut. Ich arbeite mit der Justiz zusammen, weil die Cosa Nostra, die dieser Corleones, nichts mit mir zu tun hat. Sie sind die Verräter, sie sind die Pentiti. Verstehen Sie?«
    Daniele kann sich ein Grinsen kaum verkneifen. Es ist das erste Mal, dass jemand Totò Riina als reuig bezeichnet.
    »Sicher. Und eben weil die Sie verraten haben, würde ich gern über diese Scheiße und über ein paar andere Dinge reden, die damit zu tun haben. Und ich habe nicht die

Weitere Kostenlose Bücher