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Bleiernes Schweigen

Bleiernes Schweigen

Titel: Bleiernes Schweigen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ferruccio Pinotti , Patrick Fogli
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bin es nicht gewohnt, mit mir unbekannten Menschen zu tun zu haben. Also, ich wollte sagen, Marco hat mir erzählt, dass Sie Schriftsteller sind.«
    Ich antworte mit einer naheliegenden Lüge.
    »Ich will ein Buch über die Bank schreiben.«
    »Über die BCM?«
    »Finden Sie das merkwürdig?«
    »Ganz im Gegenteil! Ich finde es merkwürdig, dass das nicht schon längst jemand getan hat.«
    Er verschränkt die Arme.
    »Und haben Sie sich nach dem Grund gefragt?«
    Er sieht mich an und spielt mit einem Brillenbügel.
    »Das ist nicht nötig. Ich kenne ihn. Genauso wie alle, die wie ich seit den Sechzigern einen bedeutenden Posten in der Bank innehatten.«
    »Haben Sie Lust, darüber zu sprechen?«
    »Wenn Ihnen die Kälte nichts ausmacht. Ich habe nicht die geringste Absicht, vor Einbruch der Dunkelheit ins Haus zurückzukehren.« Er deutet auf die violetten Wolken, die reglos in der Ferne hängen. »Es sei denn, dieses Unwetter rückt uns allzu sehr auf die Pelle.«
    »Kein Problem.«
    Er lächelt, und das Lächeln scheint seine Augen zu erreichen.
    »Perfekt. Wo wollen wir anfangen?«
    »Bei der Mafiabank.«
    »Die Mafiabank, natürlich. Das war die BCM, da können Sie sicher sein. Und wie.«
    »Wann ist Ihnen das klargeworden?«
    »Ich habe als Kassenwart angefangen und als Direktor aufgehört. Um zu kapieren, dass da was nicht stimmte, musste man nur am Schalter stehen und die Augen offen halten. Aber niemand hat sich sonderlich drum geschert. Das waren andere Zeiten. Doch glauben Sie mir, in jeder Bank gibt es krumme Geschäfte und niemand regt sich auf.«
    »Und als Sie die Bank verlassen haben?«
    »Damals wusste ich alles. Oder fast. Und das, was ich nicht wusste, konnte ich mir zusammenreimen. Ich hätte Mühe, Ihnen zu sagen, wann es passiert ist. Im Grunde kommt eines zum anderen, und eines Tages wacht man auf und weiß Bescheid.«
    Eine getigerte Katze taucht von irgendwoher auf und schlüpft unter Ferrarinis Stuhl. Sie schauen sich kurz an, dann springt die Katze ihm auf die Knie, legt sich hin und wartet. Als Ferrarini anfängt, sie zu streicheln, schließt sie die Augen. Gleich darauf ist sie eingeschlafen.
    »Ich weiß nicht, woher sie kommt. Vor einem Jahr ist sie hier aufgekreuzt und seitdem besucht sie mich jeden Tag. Dieses Kalb und ich haben eine Art Verabredung. Sehen Sie, wie dick sie ist? Ich fange an zu lesen, sie kommt an und schläft. Irgendwann wacht sie dann wieder auf, sieht mich an und verschwindet. Tiere sind seltsam, finden Sie nicht? Haben Sie ein Haustier?«
    »Wenn ich sie so sehe, kriege ich Lust, mir eine Katze anzuschaffen.«
    Er lächelt, blickt auf die Katze hinab, krault sie zwischen den Ohren und streichelt ihren Rücken. Dann redet er weiter.
    »Wir boten die besten Voraussetzungen. Eine Mailänder Bank mit nur einem Schalter. Weit weg vom Finanzzirkus, abseits des Rampenlichts. Und mit Eigentümern, die zum Teil nicht die geringste Lust hatten, aufzufallen. Aber nicht nur das. Alles ist zugleich einfacher und komplizierter. Ein Teil der Geschichte dieses Landes steckt in der BCM. Sie machte Geschäfte mit Di Donnas ausländischen Treuhandgesellschaften und der Welt, die er repräsentierte. Die Strohmänner der Mafiaclans, die in jenen Jahren aktiv waren, hatten bei uns Konten. Und auch die Spitzen der Cosa Nostra. Natürlich nicht persönlich. Als die Staatsanwaltschaft 1983 die Operation Primavera veranlasst, bin ich bereits seit zwei Jahren nicht mehr bei der Bank. An jenem 21. März lassen sie das Spiel auffliegen, aber sie machen es nicht gründlich. Sie verhaften den Direktor und einen Teil des Bankvorstandes in der Überzeugung, das Geldinstitut sei eine der Geldwäschezentralen. Es kommt zum Prozess und zum Urteil. Und 1989 kommt ein Kassationsrichter daher und hebt alles wieder auf. Vier Jahre später wird er wegen Beteiligung an einer kriminellen Vereinigung angeklagt. Schlussendlich bekommt er einen Freispruch erster Klasse, das war letztes Jahr. Doch in der ersten Instanz und in der Berufung hatte er sechs Jahre bekommen.« Er hört auf, die Katze zu streicheln. Das Tier wacht auf, sieht ihn vorwurfsvoll an, wartet, bis er weitermacht, und schläft wieder ein.
    »Das klingt nach einer anderen Geschichte, ich weiß, aber das ist es nicht.«
    Er reckt den Hals und wirft einen neugierigen Blick auf den Notizblick auf meinen Knien.
    »Haben Sie alles mitgeschrieben?«
    Ich nicke.
    »Ich frage Sie das, weil wir auf einige Dinge, die ich gesagt habe, zurückkommen

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