Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Bleiernes Schweigen

Bleiernes Schweigen

Titel: Bleiernes Schweigen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ferruccio Pinotti , Patrick Fogli
Vom Netzwerk:
übereinstimmen, die ich auf einigen mir noch zur Verfügung stehenden Konten meines Vaters nachvollziehen konnte.«
    Mit einer minimalen Bewegung seines rechten Zeigefingers deutet er auf die Mappe in meiner Hand.
    »Das, was da drin steht, ist alles wahr. Und es gibt eine Möglichkeit, es zu rekonstruieren. Das Geflecht, in dem mein Vater einen der Knoten bildete, verfügte über einen besonderen Kanal. Kennen Sie eine Bank namens BCM? Haben Sie von ihr gehört?«
    »Das Kreditinstitut der Mafia.«
    »Das ist sehr verkürzt und vereinfacht, glauben Sie mir. Aber so ist es. Sie haben vergessen zu sagen, dass es in Mailand sitzt. Ein nicht zu vernachlässigendes Detail.«
    Er steckt eine Hand in die Tasche und zieht ein doppelt gefaltetes Papier hervor.
    »Es gibt da jemanden, den Sie kennenlernen sollten. Ich glaube, er könnte für Ihre Recherche unumgänglich sein.«
    »Wer ist es?«
    »Sagen wir, es ist ein Freund der Familie, wenn Sie diese Bezeichnung nicht doppelt schlecht von ihm denken lässt. In Wahrheit ist es ein Mensch, dem ich noch etwas schuldig bin, der mir nach dem Tod meines Vaters sehr nahegestanden und mir geholfen hat, zu verstehen.«
    Er hält mir den Zettel hin.
    »Er hat bei der BCM gearbeitet. Ich habe mir erlaubt, ihm zu sagen, dass Sie ihn bald aufsuchen werden. Er lebt in den Bergen, rund hundert Kilometer von Ihnen entfernt. In einem Haus mit einer hinreißenden Aussicht.«
    »Das klingt wehmütig.«
    Er sieht weg.
    »Das ist dicht an der Wahrheit.«
    Ich falte das Papier auseinander. Ein Name, eine Adresse, eine Telefonnummer. Alles mit dem Computer geschrieben. Ich stecke ihn ein.
    »Ich nehme an, das ist alles«, sage ich.
    Di Donna steht auf, zieht sich den Pullover zurecht und hält mir die Hand hin.
    Wir verabschieden uns schweigend, und schweigend verlasse ich seine Wohnung, mit einer Ledermappe über der Schulter und dem Gefühl, zugleich benutzt und unterstützt worden zu sein.
    Draußen ist es Abend geworden. Ich nehme ein Taxi zum Hotel und checke sofort meine Mails. Andrea hat nicht geantwortet, Daniele hat nicht versucht, mich zu erreichen. Ich lege mich aufs Bett, Di Donnas Mappe neben mir.
    Ich habe noch nicht einmal hineingeschaut, sie könnte ebenso gut leer sein, alles könnte ein Scherz sein. Als ich sie endlich öffne, trifft mich fast der Schlag.
    Inmitten der Jugendstil-Einrichtung meines Hotelzimmers sitze ich auf dem Bett und versuche in der Flut von Zahlen einen bekannten Namen zu entdecken, an den ich mich klammern kann. Zwei Stunden später gebe ich auf.
    Ich wähle die Telefonnummer, die Di Donna mir gegeben hat.
    Das erste Mal lege ich auf, noch ehe es klingelt. Beim zweiten Mal halte ich durch. Es braucht nicht viele Worte, um eine Verabredung zu treffen. Ich rufe die Rezeption an und lasse mir einen Zug reservieren.
    Am nächsten Morgen verlasse ich Rom, ohne zu wissen, ob ich jemals wiederkommen werde.
     
    Der Garten ist kühl und duftet nach Regen. In der Ferne zieht ein Gewitter auf, doch den Mann, den ich aufsuche, scheint das nicht aus der Ruhe zu bringen. Um zu ihm zu gelangen, hat es zwei Züge, einen Überlandbus und einen langen Spaziergang am Waldrand gebraucht.
    Als ich durch das Gartentor trete, sehe ich ihn und bin sicher, das er schläft.
    Er sitzt draußen in einem Korbstuhl mit Blick über das Tal, ein Buch zwischen den Händen, den Kopf nach links geneigt, er trägt eine leichte Jacke und eine blaue Wollmütze, die knapp die Ohren bedeckt. Ich trete leise näher, würde ihn mir gern genau ansehen, ehe er mich bemerkt. Es ist zwecklos.
    »Suchen Sie jemanden?«
    Er hat sich keinen Millimeter gerührt. Unsicher bleibe ich stehen.
    »Dottor Ferrarini? Das Tor war offen, da bin ich …«
    Er dreht sich um. Er trägt einen weißen, akribisch rasierten Kinnbart. Keinen Oberlippenbart. Seine runde Brille sieht aus, als wäre sie sehr alt und wertvoll. Er zieht sie auf die Nasenspitze und mustert mich.
    »Schon lange hat mich keiner mehr Dottore genannt … wohl seit 1990 nicht.« Er klappt das Buch zu. »Sie sind?«
    Ich nenne ihm meinen Namen. Er nickt kaum merklich und deutet auf einen freien Stuhl.
    »Der Freund von Marco.« Ich stelle den Stuhl neben seinen.
    »Wann hat er Sie angerufen?«
    Er lächelt leise. Ich setze mich.
    »Ich weiß, dass Sie ihn schon lange kennen.«
    Ferrarini setzt die Brille ab.
    »Und ich weiß, dass Sie ein Schriftsteller sind. Wir sind fast gleichauf, meinen Sie nicht? Verzeihen Sie meine Taktlosigkeit, aber ich

Weitere Kostenlose Bücher