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Bleiernes Schweigen

Bleiernes Schweigen

Titel: Bleiernes Schweigen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ferruccio Pinotti , Patrick Fogli
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nannte sich Wunkind und besaß eine Namensschwester in Nassau, die Tommaso Longo gehörte. Ich nehme an, Sie wissen, wer das ist. Überdies standen sie in Kontakt mit einer Art Investmentbank, in deren Aufsichtsrat auch Di Donna und der Präsident der Vatikanbank saßen.«
    Ihm entfährt ein kurzes Lachen.
    »Wissen Sie, was das Problem ist? Diese Leute hatten es drauf. Und Longo am meisten. Als Steuerberater hat er halb Italien die Taschen gefüllt. Als Banker, na ja, Sie wissen ja. Betrügerischer Bankrott und Mafia-Machenschaften. Stellen Sie sich vor, um ein Haar hätte ich für ihn gearbeitet. Das muss Schicksal gewesen sein. Mögen Sie Science-Fiction?«
    »Kennen Sie einen Mann meiner Generation, der Science-Fiction nicht mag?«
    »Stimmt. Ich bin ganz verrückt danach.«
    Er zeigt mir das Taschenbuch, das er auf den Knien hält. Arthur Clarke, Rendezvous mit 31/439 . Die Originalausgabe aus den Sechzigern. Ich muss ziemlich baff ausgesehen haben, denn Ferrarini drückt das Buch mit gespieltem Entsetzen an die Brust.
    »Wehe, Sie stehlen es mir! Aber ich wollte gar nicht über dieses Buch reden. Wie gesagt, ich bin ganz verrückt nach Science-Fiction. Bei Tommaso Longo muss ich an diese Figur aus Krieg der Sterne denken, an den mit dem schwarzen Helm auf dem Kopf. Wenn ein Genie beschließt, zum Verbrecher zu werden, wird es echt gefährlich.«
    Er legt das Buch auf den Tisch. Im nächsten Satz liegt ein fast rührend aufrichtiger Schmerz.
    »Und Tommaso Longo war ein Genie.«
    »1970 kauft Longo also dreiunddreißig Prozent der BCM?«
    »Technisch gesehen stimmt das. Eine Gesellschaft gleichen Namens wie die unter Longos Führung kauft ein Drittel der Bank. In Wirklichkeit glaube ich, dass Longo nur ein Mittel war. Es ist die Welt, für die er steht, die in die Bank eintritt.«
    »Die zweite Phase, von der Sie eben sprachen.«
    »Ganz genau. Aber lassen Sie mich ausreden, denn jetzt kommt das Schönste. Ich sagte ja bereits, dass diese drei Gesellschaften von einem Schweizer vertreten wurden. In den Neunzigern wird dieser nun verdächtigt, eine der Schlüsselfiguren in punkto Geldwäsche sowie Experte für Steuerhinterziehung im ganz großen Stil zu sein. Und dennoch ist er Ehrenmann Seiner Heiligkeit und Vorsitzender eines der päpstlichen Räte. Vatikan, italienische Finanz, organisierte Kriminalität. Die drei Kettenglieder in einer Person, die ein Drittel der Bankanteile innehat. Da muss man nichts mehr erklären, oder?«
    Er nippt an seinem Tee und wartet, bis ich fertig geschrieben habe.
    »Ehe Longos Gesellschaften auftauchten, waren die Schweizer da. Es war alles schon lange geplant.«
    »Schweizer?«
    »Vor allem Finanzierungsgesellschaften. Namen voller Konsonanten, bei deren Aussprache einem das Gebiss aus dem Mund fiel, und haufenweise Geld. Fast alle mit Sitz direkt hinter der Grenze, meist in Lugano. Auch das: gewaschenes, neu angelegtes und vermehrtes Geld. Die Anfangsphase, wie gesagt. Mindestens zweimal habe ich die Gnome gesehen.«
    »Die Gnome?«
    »So nannten wir die. Ziemlich arrogant, ich geb’s zu. Oder vielleicht der scherzhafte Versuch, die Angst vor ihnen zu überspielen. Man sah es geradezu vor sich, wie sie im Schatten der Berge das Geld dieser Leute aufeinandertürmten. Wenn man sie im Flur traf, hielt man den Blick gesenkt oder sah woandershin. Sie haben mir immer mehr Angst gemacht als die eigentlichen Besitzer dieses Geldes.«
    Er trinkt seinen Tee aus und sieht mich schweigend an, die Tasse in der Hand.
    »Kurz bevor ich die BCM verlassen habe, habe ich mich über eine dieser Schweizer Finanzierungsgesellschaften schlaugemacht. Über neunzig Prozent gehörten einer israelischen Bank namens Lemon Bank Overseas. Viele Jahre später hat Marco das fehlende Puzzleteil eingefügt. Die Lemon Bank ist die Geldwäscheanlage der Capobiancos. Wie Sie sehen, fügt sich am Ende alles zusammen.«
    Ferrarinis Blick wandert durchs Zimmer, vielleicht auf der Suche nach der Katze. Er gießt uns Tee nach, räuspert sich und bringt einen neuen Dominostein ins Spiel.
    »Sagt Ihnen der Name Falcetta etwas?« Er wartet die Antwort nicht ab. »Was mich betrifft, ist er in der gesamten Operation Primavera der Wichtigste. Dank dieses Namens lässt sich sowohl die Herkunft des Geldes als auch das Geheimnis erklären, das die BCM bis heute umgibt. Falcetta ist der Schwager von Giuliano Capobianco. Blutsbande sind alles, zumal für Familien wie diese.«
    Ich sage nichts. Ferrarini trinkt einen Schluck

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