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Bleiernes Schweigen

Bleiernes Schweigen

Titel: Bleiernes Schweigen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ferruccio Pinotti , Patrick Fogli
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Geldströmen fehlt jede Spur. Im geeigneten Moment sind sämtliche Unterlagen verschwunden. Aber wissen Sie, was man in Como sagt? Es stimme gar nicht, dass die Dame nicht wisse, was passiert ist. Sie war sehr schön und jung genug, um sich einen Liebhaber zu nehmen. Und der hat sie angeblich um einen Gefallen gebeten.«
    Er kommt näher.
    »Antonio Marsigli ist noch immer ein gutaussehender Mann. Wenn Sie Fotos aus jener Zeit sehen, ist Ihnen klar, dass er es mit Frauen gewiss nicht schwer hatte.«
    »Können Sie das beweisen?«
    »Was die … vertrauensvolle Beziehung zwischen Marsigli und dieser Dame betrifft? Natürlich nicht.«
    »Ich rede von der Trident.«
    »Ich habe nichts, was vor einem Gericht verwendet werden könnte. Ehe ich die Bank verlassen habe, habe ich alles, was ich konnte, von Hand kopiert abgeschrieben. Ich hatte an eine Anzeige gedacht, aber dann habe ich doch nichts unternommen. Als es dann zur Operation Primavera kam, hatte ich gehofft, sie würden gründlich genug graben und darauf kommen, was diese Bank war. Aber das ist nicht passiert. Und auch da habe ich mich nicht gerührt.«
    Er holt tief Luft.
    »Manchmal denke ich, wir sind alle genauso wie die. Wo wir können, versuchen wir, uns was unter den Nagel zu reißen. Und auch wenn wir klug genug sind, uns rechtzeitig aus der Affäre zu ziehen, bringen wir nie den Mut auf, die Hand zu heben und zu sagen, ich hab’s gewusst, ich hab’s gesehen, ich sag euch alles, was ich weiß. Es gibt immer etwas, das uns davon abhält. In meinem Fall ist es die Familie, meine Frau, meine Tochter, die Angst, es könnte böse ausgehen. Doch am Ende ist die Wut geblieben. Vor allem auf mich selbst.«
    Ich will etwas sagen, doch er lässt mich nicht.
    »Haben Sie etwas dagegen, wenn wir wieder ins Freie gehen? Wenn ich zu viel im Haus bin … ich weiß nicht, ich fühle mich unwohl.«
    Ich stehe auf und folge ihm in den Garten. Die Katze jagt hinter etwas her, das ich nicht sehen kann. Der Regen ist plötzlich warmem Sonnenschein gewichen.
    »Es ist das Elternhaus meiner Frau«, erklärt er. »Wir kamen immer im Sommer her. Als sie gestoben ist, fand ich, es hatte keinen Sinn mehr, in der Stadt zu bleiben, und da bin ich hierhergezogen. Dort unten hielt mich nichts mehr.«
    Er deutet auf das Tal. Ein wie aus dem Nichts aufgetauchter Nebelstreifen hängt darüber. Er holt ein Päckchen Zigaretten hervor und bietet mir eine an. Schweigend stehen wir da und rauchen, denken an die unterm Grau verborgene Stadt und lächeln über die Kunststücke der Katze, die sich schließlich unter einen Busch legt und einschläft.
    Doch das war noch nicht alles. Da hängt noch etwas in der Luft. Etwas, das ich nicht ignorieren kann.
    »Wieso haben Sie mich gefragt, was ich über die Perseo weiß?«
    Ferrarini antwortet nicht. Die Hände in den Taschen vergraben, scheint er fernen, komplizierten Gedanken nachzuhängen. Die Katze wacht auf und kommt zu ihm, streicht ihm um die Beine und reibt Schwanz und Schnauze an seinen Hosen. Ferrarini nimmt sie auf den Arm.
    »Heute Nacht schläfst du drinnen«, murmelt er. »Zufrieden?«
    Die Katze blinzelt und legt den Kopf an seine Brust. Er streichelt sie und redet, ohne mich anzusehen.
    »Es ist spät, der letzte Bus ist schon vor einer Weile gefahren. Ich bringe Sie zum Bahnhof.«
    Er kehrt ins Haus zurück und kommt nach wenigen Minuten mit einem Stoffbeutel über der Schulter wieder.
    Schweigend folge ich ihm zum Auto.
     
    »Ich wusste, dass Sie früher oder später wiederkommen würden.«
    Daniele spielt mit dem Kuliknopf. Er drückt drauf, lässt die Spitze herausschnellen und presst sie aufs Papier, bis der Knopf wieder nach oben springt. Dann fängt er von vorn an.
    »Hellseherei ist das wohl nicht.«
    Baldacci lässt den Blick schweifen.
    »Ich habe nichts anderes zu tun als nachzudenken, mich zu erinnern und mir Fragen zu stellen.«
    »Sie könnten Ihre Memoiren schreiben.«
    Er grinst.
    »Glauben Sie, man würde mich lassen?«
    Daniele lächelt ebenfalls.
    »Ich glaube nicht. Also?«
    »Sie wollen wissen, wieso ich Sie erwartet habe, Dottore? Sie sind nicht der Typ für halbe Sachen.«
    »Ist das ein Kompliment?«
    »Überschätzen Sie sich nicht. Männern mache ich so gut wie nie Komplimente.«
    Daniele legt den Stift aufs Notizbuch.
    »Wer hat Sie beauftragt, Baldacci?«
    Baldacci macht ein überraschtes Gesicht.
    »Sie erwarten doch nicht, dass ich auf so eine Frage antworte. Nicht immer reicht es, eine Frage zu

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