Bleiernes Schweigen
jahrelang so. Das ist ein wirtschaftliches Prinzip, wie Sie wissen sollten. Wer viel Geld zu investieren hat, sucht sich jemanden, der es braucht. Und sie werden Partner.«
»Ihr seid keine gewöhnlichen Partner.«
Baldaccis Lachen erfüllt das Zimmer.
»Wie recht Sie doch haben! Wir verlieren nun mal nicht gern. Wir können nicht verlieren. Und wenn jemand sich uns zur Verfügung stellt, muss er verdammt genau wissen, was das bedeutet. Denn für uns bedeutet es nur eins.«
Er scheint zu überlegen, wie er am besten weitermachen soll, und raucht derweil die ganze Zigarre auf. Stumm sitzt er da. Dann beschließt er offenbar, abermals vom Thema abzukommen.
»Eines Nachmittags war ich in Mailand. Niemand war hinter mir her. Um mich festzunehmen, meine ich. Das macht einen Unterschied, finden Sie nicht? Ich hatte eine Verabredung mit Alfonso Viola, um was Geschäftliches zu besprechen. Er hatte bei der Cosa Nostra damals das Sagen. Ich beschließe, zu Fuß hinzugehen, und treffe ihn zufällig in einer Bar ganz in der Nähe unseres Treffpunktes. Er sagt mir, vor unserem Abendessen müsse er noch was erledigen, ob wir uns nicht gleich da treffen könnten, wo er hin muss. Er gibt mir die Adresse und geht.
Ich trinke einen Tee, lese die Zeitung, plaudere mit der Barfrau, einer echten Traumfrau, und mache mich auf den Weg. Unterwegs kaufe ich mir einen Kamelhaarmantel, ein todschickes Stück, glauben Sie mir. Und zur verabredeten Stunde bin ich dort, wo ich sein soll. Ich gehe wie besprochen die Treppe rauf und komme ins Büro, groß, schön, mit riesigen Fensterfronten. Es ist schon spät, und am Empfang sitzt niemand. Aber man hört Stimmen. Ich gehe den Flur entlang und komme zu einer offenen Tür. Da sehe ich Alfonso mit zwei anderen Männer, deren Namen ich nicht nennen kann, die mit ihm aber fast auf gleicher Stufe standen. Vor ihnen ein riesiger, langer Tisch, auf dem sich Unmengen von Geld stapeln.« Er grinst bei der Erinnerung daran. »Ich hab schon ’ne Menge Kohle gesehen, Dottore. Aber dieser Berg war schon ziemlich beeindruckend. Das waren Hunderttausend-Lire-Scheine, das müssen so an die zehn Milliarden gewesen sein.«
»Wo waren Sie, Baldacci?«
Baldacci hebt die Hand.
»Warten Sie, Dottore. Warten Sie eine Sekunde. Die haben dieses Geld gezählt. Und wie ich es da so liegen sehen hab und überlegt habe, wo ich mich befand, wurde mir klar, was das für Geld war. Ein paar Monate zuvor hatte ich in London gehört, dass es eine Sammlung geben sollte, organisiert von Alfonso Viola. Wenn die Cosa Nostra eine Geldsammlung macht, dann ist das nicht wie die Kollekte in der Kirche. Normalerweise wird Geld gesammelt, um ein Geschäft aufzuziehen. Und dieses Geld sollte nach Mailand gebracht werden. Alfonso bürgte, und niemand hatte etwas einzuwenden.«
»Und das war dieses Geld.«
»Beschwören kann ich es nicht. Aber es war von rund zehn Milliarden und von Mailand die Rede gewesen. Und wir waren in Mailand, da stand Viola, und da lagen zehn Milliarden.«
Daniele nickt.
»Wollen Sie mir verraten, wo Sie sich befanden, Baldacci?«
»Aber sicher, Dottore, aber sicher. In Antonio Marsiglis Büro.«
»Und Marsigli …«
Baldacci unterbricht ihn.
»Der Ärmste hockte in einer Ecke. Er machte einen ganz bedröppelten Eindruck. Offenbar hatte Alfonso geglaubt, er hätte sich was unter den Nagel gerissen. Und das war keine gute Idee. Also haben sie es gezählt, aber am Ende war alles da.«
»Die Cosa Nostra hat also Geld gesammelt, um es in Marsiglis Unternehmen zu investieren?«
»Ganz genau. Das Unternehmen hieß Danae. Das weiß ich noch genau, aber ich habe nie gedacht, dass es Marsigli gehören könnte.«
»Reden Sie weiter.«
Baldacci streicht sich mit den Fingern über die Wange.
»An dem Abend sollte Marsigli jemandem das Geld bringen. Er habe es eilig, sagte er, man warte auf ihn. Wenn das Geld nicht für ihn war, dann war es wohl auch nicht sein Unternehmen, meinen Sie nicht?«
»Und Sie haben Viola nicht gefragt?«
»Wieso sollte ich? Das ging mich nichts an. Und mein Geld war auch nicht dabei. Man fragt lieber nicht nach Dingen, nach denen man nicht fragen sollte. Doch das da war nur die erste Rate. Oder vielleicht eine Anschubinvestition. Anfang der Siebziger hat Marsigli für die Capobiancos gearbeitet. Er war jung, tatendurstig und kam sogar aus demselben Kaff.«
»Und dann hat Marsigli Karriere gemacht.«
»Wenn man so will. Wie auch immer, fünf oder sechs Monate nach diesem Abend
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