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Bleiernes Schweigen

Bleiernes Schweigen

Titel: Bleiernes Schweigen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ferruccio Pinotti , Patrick Fogli
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Scheiße erzählen will, kriegen wir’s jetzt raus.«
    Daniele sagt sich das immer und immer wieder, jetzt, da Baldacci ihm diese Frage gestellt hat. Er geht darüber hinweg und insistiert.
    »Seit wann kannten Sie Marsigli?«
    »Sagen wir, ich traf ihn häufig. In Mailand, Palermo, London, New York. Es gab eine Zeit in meinem Leben, in der er es darauf anzulegen schien. Ich war sogar mal davon überzeugt. Aber dann habe ich meine Fühler ausgestreckt, und es war nichts dran. Zweifellos kannte er all die, die ich auch kannte. Na und.«
    »Wie kommen Sie darauf?«
    »Ganz einfach, Dottore. Wenn er mich traf, wusste er nicht viel mehr als meinen Namen und gab mir die Hand. Wenn er die anderen traf, küsste er sie. Das ist ein Unterschied.«
    »Was wissen Sie über Marsigli?«
    »Was wollen Sie hören?«
    »Alles.«
    »Wie viel Zeit haben Sie?«
    »So viel, wie wir brauchen.«
    »Ich glaube, er wurde in den Achtzigern aufgenommen. Allerdings hat mir das niemand klipp und klar bestätigt. Darin sind unsere Welten sich ähnlich, Dottore. Keiner sagt einem die Dinge ins Gesicht, und wenn man anfängt, die Leere um sich herum zu spüren, wird es Zeit, sich aus dem Staub zu machen oder sich einen guten Steinmetz für seinen Grabstein zu suchen.«
    Daniele grunzt.
    »Baldacci, wir sitzen schon eine ganze Weile hier. Es ist spät und es war für uns beide ein anstrengender Tag. Sie sind ein unterhaltsamer Mensch, keine Frage, aber ich will endlich zur Sache kommen. Bitte sehen Sie mir meine Müdigkeit nach.«
    Der Cosa-Nostra-Mann fährt sich mit dem Finger über die Lippen.
    »Und sehen Sie mir bitte nach, dass ich mich manchen Themen nur äußerst zögerlich nähere.«
    »Niemand wird Sie dafür zur Rechenschaft ziehen, doch in meinem Fall ist das anders.«
    Baldacci lacht los.
    »Glauben Sie wirklich, unser Treffen bleibt geheim? Sie werden über das, was ich Ihnen erzählt habe und erzählen werde, Nachprüfungen anstellen, und die können noch so diskret sein, irgendjemandem treten Sie bestimmt auf die Zehen. Und dieser Jemand wird sich fragen, woher Sie Ihre Informationen haben. So viele Namen stehen schließlich nicht zur Auswahl, und die, die bereit sind zu reden, lassen sich an wenigen Fingern abzählen.«
    Daniele lässt sich gegen die Sofalehne fallen. Er denkt an einen Satz, den er einmal gehört hat: In der Einsamkeit sind wir alle gleich. Er schließt die Augen.
    Ich bin schon einsam, denkt er. Seit langer Zeit.
    »Darf ich Sie etwas fragen, Dottore?«
    Er öffnet die Augen und fährt sich mit der Hand übers Gesicht.
    »Bitte …«
    »Sind Sie gekommen, um über die Marionetten zu reden, oder über die Fäden?«
    »Macht das einen Unterschied?«
    »Mehr als Sie glauben.« Baldacci beugt sich zum Tisch vor, öffnet eine Holzschachtel, holt eine Zigarre heraus und bietet Daniele eine an. Der Richter lehnt ab. Er sieht zu, wie Baldacci die Zigarre präpariert, und fragt sich, ob es irgendein Mafioso-Klischee gibt, das der Hausherr nicht zum Besten geben will.
    »Das sind zwei völlig unterschiedliche Themen«, sagt er nach dem ersten Zug. »An jedem Faden hängen viele Marionetten. Und wenn man die hat, bedeutet das nicht, dass sich der Faden zurückverfolgen lässt.«
    »Dann erzählen Sie mir von den Fäden.«
    Baldacci zieht an seiner Zigarre.
    »Fall Sie’s noch nicht bemerkt haben, ich tue mein Bestes. Ich erzähle Ihnen von den Händen.«
    Sie mustern sich eindringlich, dann senkt der Cosa-Nostra-Mann den Blick.
    »Leck mich am Arsch«, raunt er. »Kommen wir zum Ende.«
    Er legt die Zigarre auf die Tischkante.
    »Ihr wart es, der Staat, der es uns ermöglicht hat, unsere Geschäfte auszuweiten. Ihr habt uns zum Zwangsaufenthalt in den Norden geschickt, ins Exil. Und wir haben uns angepasst. Das ist ein Gesetz des Marktes. Und dieses Gesetz bringt Männer wie Marsigli hervor. Ebenfalls eine Marionette. Genau wie kleine Jungs, die sich um jeden Preis hervortun wollen. Er war genauso. Er imitierte die Cosa Nostra, um einer von uns zu sein. Und nach einer Weile hat er seine eigene Farce geglaubt. Ohne zu merken, dass niemand ihn ernst nahm.«
    »Aber er ist aufgenommen worden.«
    »Natürlich, Dottore! Wir vergessen unsere Freunde nicht. Niemals. Nicht einen Augenblick. Und Marsigli arbeitete seit langem für uns. Viel länger, als Sie glauben.«
    Er hält die Zigarre zwischen den Lippen und zieht daran. Zweimal.
    »Auch Marsigli hat Capobianco-Geld bekommen. Das hat vor Ewigkeiten angefangen und ging

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