Bleischwer
Theoretiker. Nachdem mir dank deiner Hilfe, Jule, klar geworden
war, dass Weyers Stefan getötet haben musste, stand für mich fest, dass er auch
die Beute beiseite geschafft hatte. Aber die drei Juristen davon zu überzeugen,
endlich aktiv zu werden, weil Gelaber allein uns nicht helfen würde, war nicht
ganz einfach. Und dann bringen sie die Sache nicht vernünftig zu Ende! Kaum
haben sie die Diamanten, vergessen sie, hinter sich aufzuräumen.« Sie seufzte
theatralisch. »Also muss ich das jetzt erledigen.« Ihre Kiefermuskulatur
mahlte. Es knirschte. »Erst ist die Alte dran … « Sie
richtete den Revolver erneut auf Gerti, die bisher halb ohnmächtig vor Angst
und Schock dagesessen hatte.
»Moment!«,
begehrte Micha auf. »Eins ist mir immer noch nicht klar. Wer hat den Wohnwagen
in Brand gesteckt, als ich Montagnacht zu Jule wollte? Theisen kann es nicht
gewesen sein. Der war zu der Zeit längst zurück in Kaarst.«
»Ach
das.« Melanie winkte ab. »Das war Odenthal. Theisen hatte ihn darum gebeten. Er
hasste das alte Ding, nachdem seine Frau ihn beschmutzt hatte, um mit dir,
Loser, in die Kiste zu steigen. Es hat ihn halb verrückt gemacht, sich da
aufzuhalten.«
»Und es
kam ihm sicher sehr gelegen, dass man Micha sofort der Brandstiftung
verdächtigte«, warf Jule hin.
Inzwischen
zitterte sie vor Wut und Enttäuschung. Schritte im Wohnzimmer enthoben die
Kosmetikerin einer Antwort. Im nächsten Moment stand Jörg in der Türöffnung. In
der rechten Hand hielt er ein Jagdgewehr – es sah
aus wie das von Peter Odenthal – , in der linken einen
Benzinkanister.
»Komm,
Jule. Lass uns nach Hause gehen«, sagte er müde.
Sein
Gesicht war blass. Er wirkte erschöpft und verwirrt, wie in Trance. Behutsam
stellte er den Kanister neben sich auf dem Boden ab und richtete das Gewehr auf
Melanie. Die begriff gar nicht, was vor sich ging, als er schon schoss.
Melanies schmaler Körper wurde nach hinten gerissen, Blut spritzte. Dann klappte
sie zusammen wie ein Taschenmesser und knallte auf den Küchenboden.
Ein
Schrei hing in der Luft. Jule wusste nicht, wer ihn ausgestoßen hatte. Melanie,
Gerti oder gar sie selbst. Sie fiel heraus aus Raum und Zeit. Schaute plötzlich
von außen in Gertis vollgestopfte, verqualmte Küche mit dem menschlichen Chaos
darin wie in ein trübes, mit Algen versetztes, Aquarium.
»Komm
jetzt, Jule«, wiederholte Jörg mit stoischer, unheimlicher Ruhe, während er den
Deckel vom Kanister schraubte. Das Gewehr hatte er aufrecht neben sich an den
Türrahmen gelehnt. »Wir fahren heim nach Büttgen.« Jetzt schüttete er
großflächig Benzin über die Fliesen und die Küchenmöbel. Seine Bewegungen
wirkten eckig und mechanisch wie die eines Roboters. »Wir vergessen das alles
hier … und fahren nach Hause.«
»Nein.«
Jörg
wog ungläubig den Kopf hin und her. »Nein?«, fragte er. »Nein? Möchtest du denn
in den Flammen sterben wie dieser abgewrackte Kriminelle da und die … die
alte Schabracke?«
»Jörg!«
Jule wachte ganz auf. »Ihr habt Hermann gefoltert und getötet! Du bist hier der
Verbrecher!«
»Es war
ein Unfall! Wir hatten gerade die Zahlenkombination seines Tresors aus ihm
rausgekitzelt, da zuckte er auf einmal so komisch, stöhnte und sein Kopf kippte
nach hinten. Jule, ich bin doch kein Mörder! Das war ein Herzinfarkt oder so
was … «
Plötzlich
flog etwas Kristallenes durch die Luft und traf Jörg mit voller Wucht an der
Stirn. Klirrend zerschellte es auf dem Fliesenboden. Der Glasaschenbecher!
Micha hatte ihn geworfen. Jörg taumelte zur Seite und ging zu Boden.
In dem
Moment brach das Inferno los. Erst fauchte es ohrenbetäubend, dann waren da nur
noch Flammen. Gierige, riesige, bleckende Flammen, die über den Boden und die
Wände züngelten. Jule schrie. Micha brüllte etwas. Sie verstand nichts. Hitze,
giftgelbes, grelles Licht und Qualm ließen sie völlig orientierungslos werden.
Von
irgendwoher kam eine Hand und packte sie mit eisernem Griff. Micha. Sie ließ
sich mitziehen, bis ins Wohnzimmer. Dort entglitten ihr die rettenden Finger.
Micha war direkt in die geifernde Hölle zurückgerannt. Gerti, dachte Jule.
Jörg. Hermann. Melanie. In der Reihenfolge. Sie hetzte hinterher. Micha kam ihr
entgegen. Er schleppte eine halb ohnmächtige Gerti mit sich. Ihr Pulli brannte
am rechten Ärmel lichterloh. Hektisch riss Jule eine Decke vom Sofa und warf
sie über den Arm der alten Frau. In dem Augenblick griff eine Wand aus Flammen
und schwarzem, beißendem
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