Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Bleischwer

Bleischwer

Titel: Bleischwer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christiane Wünsche
Vom Netzwerk:
dass ihr Streit habt.
Ich dachte, es sei eine gute Idee.«
    Er
wirkte zerknirscht. Trotzdem wurde Jule langsam wütend. Was bildete dieser
Schnösel sich ein? Sich einfach in ihre Ehe einzumischen! Was für ein
unsensibler Klotz.
    »Wir
haben keinen Streit«, entgegnete sie heftig. Nun wurde sie lauter. »Ich
brauchte eine Auszeit! Es ist viel passiert. Ich hatte diesen Unfall, dann die
Fehlgeburt. Außerdem bin ich wegen meines Rückens noch krank geschrieben. Da
wollte ich ein bisschen Urlaub machen. Abstand gewinnen. Meine Güte, Peter, was
hast du dir dabei gedacht, Jörg hierher zu zitieren?«
    Ohne es
verhindern zu können, waren ihr die Tränen in die Augen geschossen. Vorsichtig
tupfte sie sie mit der Papierserviette weg.
    »Es tut
mir leid.« Seine Stimme drang sehr sanft durch die Wolke der Verzweiflung in
ihr Hirn. »Ich habe das alles nicht gewusst, ehrlich.« Behutsam legte er seine
Hand auf die ihre. »Wenn ich eine Ahnung gehabt hätte, hätte ich das Skatspiel
nicht organisiert. Glaub mir bitte. Aber … «, er
machte eine wirkungsvolle Pause, dann wurde sein Tonfall eindringlicher. »Aber
Jörg war ganz begierig darauf, von dir zu hören. Er sagte, dass dein Handy
ausgeschaltet ist. Dass du ihm lediglich eine Postkarte geschrieben hast und
seit Wochen nichts von dir hören lässt. Er vermisst dich. Er macht sich Sorgen,
gerade jetzt, wo dieser entflohene Mörder die Gegend unsicher macht. Mensch,
Jule, du kannst vor deinen Problemen nicht davon laufen!«
    Schluss.
Es wurde ihr zu viel. Vor allem der letzte Satz. Peter war nach Michael, dem
Faktotum, schon der Zweite, der ihr mit diesem Spruch kam. Warum respektierte
keiner, dass ihr Verhalten genau dem entsprach, was sie fühlte. Ein Versteck
suchen, die Decke über den Kopf ziehen und sich einigeln. Wenn ich nichts seh’,
sehen andere mich nicht. Mein Gott, das war halt ihre Art, mit einer Krise
umzugehen. Niemanden außer ihr selbst ging das etwas an. Wenn es ihr half.
    Leider
flüsterte eine hartnäckige, leise Stimme in ihrem Kopf, dass die anderen
irgendwie recht hatten. So würden sich die Probleme tatsächlich nicht lösen
lassen. Aber wollte sie das überhaupt?
    »Wann
kommt Jörg morgen?«, erkundigte sie sich kühl. Frostig begegnete sie Peters
prüfendem Blick »Damit ich weiß, wann ich meinen Spaziergang zu machen habe!«
    Peter
atmete tief ein und aus und musterte sie frustriert. »Gegen drei am
Nachmittag.«
    »Gut.
Und jetzt lass uns von etwas anderem reden.«
    Nach
dem Eklat war die Stimmung natürlich ruiniert. Ihr Gespräch quälte sich dahin,
stockend, angespannt. Und obwohl das Essen ausgesprochen lecker war, konnte
Jule es nicht genießen.
    Morgen
kam Jörg. Den sie nicht sehen wollte. Von dem sie nichts hören wollte. An den
sie nicht denken wollte. Ihre Finger, die das Besteck hielten, zitterten.
    Irgendwann
sah sie, wie Michael den Schankraum betrat und sich an die Theke stellte.
Instinktiv wollte sie sich zu ihm flüchten. Sich mit Hilfe seines breiten
Rückens und seiner ruhigen Art vom Rest der Welt abschirmen. Dann dachte sie an
den Ausgang ihres Treffens von vorhin zurück.
    Michael
mochte Peter Odenthal nicht. Er missbilligte, dass sie sich mit ihm traf. Warum
wollte ihr eigentlich jeder vorschreiben, wie sie sich zu verhalten hatte?
Wieder stieg der Ärger in ihr auf.
    In dem
Moment drehte Michael sich mit einem vollen Pilsglas in der Hand um und ließ
seinen Blick durch den belebten Raum schweifen. Ihre Augen trafen sich. Er
nickte mit der Andeutung eines Lächelns und prostete ihr unauffällig zu.
Unwillkürlich lächelte sie zurück. Dann lehnte er sich mit dem Rücken an die
Theke und unterhielt sich mit einem der alten Bauern. Peter Odenthal ignorierte
er komplett. Der aber hatte sofort reagiert.
    »Du
kennst den Kerl?«, fragte er. Sie hörte Ablehnung in seinen Worten.
    »Natürlich
kenne ich Michael.« Die Röte stieg ihr ins Gesicht. »Er arbeitet schließlich
hier. Gestern hat er meine Gasflasche ausgetauscht und einen Schlauch
repariert.« Warum rechtfertigte sie sich schon wieder? Hatte sie so etwas
nötig?
    »Ich
rate dir, halte dich von Faßbinder fern«, zischte Peter Odenthal. »So einer ist
kein Umgang für dich.«
    »Seltsam.
Das rät er mir umgekehrt auch. In Bezug auf dich«, entgegnete sie bissig, bevor
sie ihre Zunge im Zaum halten konnte.
    »Ach?«
Peter Odenthal beugte sich zu ihr vor. Es erinnerte an das aggressive
Vorschnellen einer Schnappschildkröte. »Aus welchem Grund

Weitere Kostenlose Bücher