Bleischwer
hält,
und eigentlich will ich’s auch gar nicht wissen.« Plötzlich lächelte er sie an,
zaghaft, bittend. »Es wäre nur schön, wenn du niemandem erzählst, dass ich ihn
kenne. Ich bekäme Ärger mit den Campern, und die Bullen würden mir blöde Fragen
stellen.«
»Wissen
es Gerti und Hermann?«
»Klar,
die kennen mich in-und auswendig. Aber sie schweigen. Halten zu mir.«
Sein
Blick hielt sie fest, wurde forschend. Endlich nickte sie.
»Ich
werde nichts sagen. Das verspreche ich dir.«
Es war eine seltsam
konspirative Stimmung, in die sie da hineingerutscht waren, fand Jule. Und doch
fühlte sie sich weiterhin wohl in Michaels Anwesenheit. Trotz seines
›Geständnisses‹, das viele Fragen in ihr aufgeworfen hatte, vertraute sie ihm.
Na ja, vielleicht gerade wegen dieser Offenheit. Irgendwann schaute sie auf
ihre Armbanduhr und erschrak. Fast halb sieben.
»Oh,
ich muss los«, stammelte sie und war schon aufgesprungen. Der Stuhl kratzte
quietschend über den Boden. »Ich bin für 19 Uhr mit Peter Odenthal zum Essen verabredet.«
Michaels
Reaktion fiel unerwartet heftig aus. »Mit dem gehst du aus?«
Abscheu
sprach aus jedem seiner Worte. In seinen Augen glaubte sie so etwas wie Hass
auflodern zu sehen. Sie erschrak und beeilte sich mit einer Rechtfertigung.
»Warum denn nicht? Jörg und ich kennen Peter und Steffi seit vielen Jahren.
Immer wenn wir hier sind, unternehmen wir etwas gemeinsam. Gehen wandern, essen
oder spielen Karten.«
»Aber
dieses Mal seid ihr beide ohne Ehepartner im ›Eifelwind‹, richtig?« Michas
Stimme troff vor Geringschätzung. »Ich mein ja nur. Du musst wissen, was du
tust. Ich jedenfalls trau dem Typ kein Stück über den Weg … Und
das nicht bloß deshalb, weil er ein scheiß Rechtsverdreher ist.«
Er
erhob sich ebenfalls und trug Kaffeebecher, Thermoskanne und Cognacflasche zur
Küchenzeile. Jule starrte ihn mit offenem Mund an. Seinen geübten Handgriffen
wohnte mit einem Mal etwas Aggressives inne. Der Stimmungswechsel verstörte
sie.
»Na
ja«, erwiderte sie zögernd. »Ich finde Peter manchmal etwas nervtötend mit
seiner überheblichen Art, aber eigentlich ist er ganz in Ordnung. Und
überhaupt, was ist schlimm daran, Jurist zu sein? Wie gesagt, wir kennen uns
seit Jahren, und seine Frau ist echt nett … «
Plötzlich
wurde sie ärgerlich. Warum rechtfertigte sie sich diesem Typen gegenüber, wer
zu ihren Bekannten zählte? Peter Odenthal jedenfalls war ein allseits
geachteter Mann, mitten im Leben stehend, souverän, charakterfest. Kein
Vergleich mit einem Stefan Winter, den Michael einen Freund nannte. Sie klappte
beleidigt den Mund zu und stiefelte zur Tür.
»Okay,
danke für den Kaffee. Ich bin dann mal weg.«
Schon
war sie draußen. Und Michael hatte sich nicht einmal verabschiedet. Was für ein
ungehobelter Kerl.
Es klopfte an der Wohnwagentür,
als Jule gerade ihr enges Wollkleid übergestreift hatte und in die hochhackigen
Stiefel schlüpfte.
»Moment
noch«, rief sie, zog die Reißverschlüsse in dem weichen Leder nach oben und
eilte zum Spiegel in der Nasszelle. In Windeseile zog sie die Linie aus braunem
Kajal um die Augen nach und gab einen Hauch Rouge auf die Wangen. »Das muss
reichen«, flüsterte sie ihrem Spiegelbild zu, warf den Wintermantel über,
schnappte sich die Handtasche und verließ den Caravan.
Peter
Odenthal sah sportlich elegant aus wie immer. Sein Lächeln war anerkennend.
»Toll
schaust du aus«, behauptete er, als sie auf dem Schotterweg jenseits der Hecke
standen. Dann bot er ihr seinen rechten Arm an. Bereitwillig hakte sie sich
unter. »Schön, dass es geklappt hat. Ich war es schon müde, mich mit den
Fischen zu unterhalten. Im Übrigen ausnahmslos mickrige Exemplare. Erbärmlich.
Hab sie alle wieder reingeworfen. Vive la liberté!«
Jule
kicherte. Plötzlich war sie froh, seine Einladung angenommen zu haben. Peter
Odenthal war jemand, der Leichtigkeit und Energie versprühte. Das konnte
ermüdend, aber auch äußerst anregend sein. So wie jetzt.
Die Gaststätte ›Zum Eifelwind‹
hüllte Jule Maiwald und Peter Odenthal in stickige Wärme und lebhaftes
Stimmengewirr. Es war brechend voll. Die Butzenscheiben waren beschlagen von
den Ausdünstungen der Gäste und von den Küchengerüchen, die durch den engen
Schankraum waberten.
Im
warmen Licht der Hängelampen sah alles genauso aus wie vor Jahren und
Jahrzehnten. Das kitschige goldgerahmte Bild mit den beiden Burgruinen von
Manderscheid hing noch an
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