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Bleischwer

Bleischwer

Titel: Bleischwer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christiane Wünsche
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nur von Jörg vertröstet zu werden.
    »Geht
es dir echt wieder richtig gut?«, fragte er ein ums andere Mal. »Ist auch der
Rücken okay?«
    Jule
bejahte alles und erkundigte sich ihrerseits nach seinen Erlebnissen in den
USA. An Tobis souveränen Antworten konnte sie heraushören, wie erwachsen er
geworden war. Der Auslandsaufenthalt tat ihm gut.
    Jörg
dagegen telefonierte lange mit seinem Partner in seiner Neusser Kanzlei. Da er
wegen der sich überschlagenden Ereignisse im ›Eifelwind‹ heute der Arbeit ferngeblieben
war, musste er erst einmal auf den neuesten Stand gebracht werden und einiges
zu Hause nacharbeiten.
    Danach
setzte er sich zu Jule auf die Couch, Es war bereits 22 Uhr. Sie schaute sich eine DVD
an. ›Sex and the City‹. Berieselung. Mehr nicht.
    Jörg
lehnte sich zurück und legte einen Arm um Jules Schultern. Fünf Minuten später
kuschelte sie sich in altgewohnter Manier an ihn: Er hatte die Beine auf das
Sofa gelegt, sie hatte dazwischen Platz genommen; ihr Kopf mit dem völlig
verwuselten Haar ruhte auf seinem Brustbein. Seine Hände streichelten sanft
ihren Bauch, später ihre Brüste.
    Als sie
miteinander schliefen – oben im Ehebett, so wie es sich gehört – , war
es für Jule wie ein weiteres Heimkommen. Vertraut und besonders zugleich.
     
    Dienstagmorgen. Jörg hatte
längst das Haus verlassen und Jule saß müde und verträumt im Bademantel, den
halb leeren Kaffeebecher in der Hand haltend, in der offenen Küche herum.
    Die
Türklingel ließ sie aufschrecken. Erstaunt identifizierte sie durch das
Milchglas der Haustür die schlanke Silhouette ihrer Halbschwester. Sie öffnete
und tatsächlich: Jana stand dort im kühlen Frühlingslicht. Diese schien nicht
minder verblüfft zu sein. Kurz huschte der Ausdruck von – Jule
konnte es nicht genau definieren – Enttäuschung oder vielleicht Missmut über ihre symmetrischen Gesichtszüge,
wandelte sich aber schnell in echte Freude.
    »Jule!
Du bist zurück!«, rief sie aus und umarmte spontan die Schwester. »Geht’s dir
gut?«
    »Ja«,
antwortete Jule schlicht, zu perplex für einen vollständigen Satz. »Komm doch
rein«, fügte sie schließlich hinzu.
    Sobald
Jana im Haus war, verspürte Jule den Drang, sich ordentlich anzukleiden, zu
frisieren und zu schminken. Denn die jüngere Frau sah wie üblich aus wie aus
dem Ei gepellt: hochhackige Stiefeletten, Designerjeans, ein figurbetontes,
weit ausgeschnittenes Oberteil in Beige, gezupfte Augenbrauen, Pfirsichwangen,
getuschte Wimpern und eine geschmeidig dunkle, perfekt glatte Haarpracht.
    Jule
brühte für die Schwester fix einen Latte macchiato auf und verschwand
anschließend oben im Schlafzimmer. Sie brauchte eine knappe Viertelstunde, um
sich einigermaßen vorzeigetauglich herzurichten.
    Währenddessen
klingelte einmal das Telefon. Gerade wollte sie zum Zweitapparat nebenan eilen,
als sie hörte, wie Jana unten dran ging. Kurz danach vernahm sie ein paar
knappe Worte. Schließlich wurde aufgelegt. Gut. So wichtig war es wohl nicht.
    Als
Jule auf Socken die breite geschwungene Holztreppe in den offenen Wohnbereich
hinuntereilte, erkannte sie an Janas verkrampfter Haltung, dass sie sich
getäuscht hatte. Die Schwester balancierte ihren kleinen Po auf der Kante eines
Sessels und umklammerte ihr Handtäschchen wie eine Ertrinkende den
Rettungsreifen.
    »Jule!«,
rief sie. »Was soll das heißen: Du bist Zeugin in einem Mordfall?«
    Die
seufzte und ließ sich auf die Couch fallen. »Ja, bin ich tatsächlich. Wer hat
denn angerufen?«
    »Ein
Kriminalhauptkommissar Wesseling. Er bittet um deinen Rückruf. Dringend. Jule,
was ist passiert?«
    Daraufhin
kam sie nicht darum herum, ihrer Halbschwester Jana von den Ereignissen im
›Eifelwind‹ zu erzählen. Jule entschied sich für eine knappe, bereinigte
Version. Gerade war sie an dem Punkt angelangt, wie Jörg ihr aus dem Dunkel des
Pavillons entgegen getreten war, als das Telefon erneut klingelte. Ungehalten
griff Jule nach dem Hörer.
    »Maiwald«,
schnauzte sie hinein. Konnte der fette Kommissar nicht auf den versprochenen
Rückruf warten? Die zittrige Stimme am anderen Ende der Leitung gehörte jedoch
eindeutig nicht Wesseling.
    »Jule
Maiwald? Weyers hier, vom ›Eifelwind‹.«
    »Ja,
ich bin’s«, antwortete sie überrascht. »Hermann?«
    »Ja,
genau.« Pause. »Kind, ich muss dir etwas Trauriges erzählen. Etwas sehr … Trauriges.«
    Sofort
dachte sie an Michael. Namenloses Entsetzen bohrte sich durch ihr Ohr in
Schädel und

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