Bleischwer
hatte.
»Nun.«
Der Kommissar betrachtete Jule ungerührt. »Dann warten wir, bis Frau Schneider
zu uns kommen kann. Kaffee?«
Trotzig
schüttelte Jule den Kopf und presste die Lippen zusammen. Sie würde mit
Wesseling nicht mehr Worte als nötig wechseln. Das stand fest.
Angela
Schneider war ein kleines, schmales, hellhäutiges Geschöpf mit kurzem, rot
gefärbtem Strubbelhaar. Jule schätzte sie auf Anfang bis Mitte dreißig. Ihr
offenes Lächeln und der feste Händedruck machten sie sofort sympathisch. Jule
beschloss, ihre Ausführungen ausschließlich an sie zu richten und Wesseling geflissentlich
zu ignorieren. Während das Aufnahmegerät leise schnurrte, ließ sie zunächst
Samstagabend Revue passieren. Natürlich in einer bereinigten Fassung. Die
Passage, in der sie mit dem Kabelbinder um die Handgelenke einem erschöpften
Stefan Winter gegenüber gesessen hatte, ließ sie selbstredend weg.
»Ich
verabschiedete mich also gegen 22 Uhr von Peter Odenthal, dem Studienfreund meines Mannes, und ging
in meinen Wohnwagen. Kurze Zeit später – höchstens 15 Minuten
würde ich sagen – klopfte es. Es war Herr Faßbinder … «
»Um wie
viel Uhr, sagten Sie?« Die Unterbrechung kam von Wesseling. Jule sah Frau
Schneider weiterhin stur in die Augen, während sie antwortete. Den Kommissar
würdigte sie keines Blickes.
»Viertel
nach zehn. Ich bat ihn rein. Als ich mit Peter in der ›Eifelwind‹-Kneipe essen
war, hatte ich ihn übrigens bereits an der Theke stehen sehen. Nun war er
gekommen, um ein bisschen zu reden. Wissen Sie, Frau Schneider, wir hatten uns
in letzter Zeit angefreundet. Die Einsamkeit eines Campingplatzes im Winter … da
freut man sich über jeden Kontakt zu netten Mitmenschen.«
Die
rothaarige Frau nickte verständnisvoll, während Jule am Rande ihres Blickes
registrierte, wie Wesseling misstrauisch die Augen zusammenkniff und die
speckigen Arme vor dem Schwabbelbauch verschränkte.
»Ich
bat ihn also hinein, und wir öffneten einen Rotwein. Es wurde ein langes
Gespräch.« An dieser Stelle schwieg Jule ratlos. Wie bloß sollte sie es elegant
ausdrücken, dass sie volltrunken mit dem Mann im Bett gelandet war? »Er blieb
über Nacht bei mir«, schloss sie schließlich lahm. »Ich kann mich dafür
verbürgen, dass er jede Sekunde bis zum nächsten Morgen in meiner Nähe war.«
Wesseling
räusperte sich vernehmlich. »Sie hatten mit dem Typen Geschlechtsverkehr?«,
fragte er ungläubig.
»Ja.«
Sie klappte den Mund zu, entschlossen, nichts mehr zu sagen. Dann aber rutschte
ihr noch etwas heraus, ohne dass sie es verhindern konnte. »Nicht nur einmal.
Mehrmals. Später schliefen wir eng umschlungen ein. Zufrieden?« Das letzte Wort
spuckte sie fast aus. Verblüfft sah sie, dass Frau Schneider – welchen Dienstgrad hatte die
eigentlich? – verstohlen
schmunzelte.
»Aha«
war alles, was Wesseling noch von sich geben konnte. Sie hatte ihn mundtot
gemacht. Für den Moment zumindest. Wenigstens etwas.
»Sie
sind sich sicher, dass Faßbinder Samstagnacht nicht ein einziges Mal den
Wohnwagen verlassen hat?«, vergewisserte sich Angela Schneider derweil
seelenruhig.
»Hundertprozentig
sicher. Wir frühstückten sogar noch zusammen. Danach guckten wir die Nachrichten.
Micha fiel aus allen Wolken, als er vom Tod Sonja Bohrs erfuhr. Er wusste nicht
einmal, dass die Frau seit einigen Monaten im Dorf lebte.«
Hier
schaltete sich Wesseling wieder ein. »Wer’s glaubt, wird selig«, sagte er
trocken. »Okay, kommen wir zu Sonntagabend. Wann haben Sie sich mit Faßbinder
getroffen und für wie lange?«
»Die
genaue Uhrzeit kann ich Ihnen leider nicht sagen. Aber es war unmittelbar nach
meinem Spaziergang am Nachmittag. Ich ging zu Michas Mobilheim. Er war zu
Hause. Wir haben Kekse gegessen und Grog getrunken. Wir unterhielten uns über
Gott und die Welt bis spät in den Abend hinein. Ich blieb bei ihm … wie er
in der Nacht zuvor bei mir.« Sie war ganz zufrieden mit dieser eher
unverfänglichen Andeutung und hoffte, die Beamten würden es dabei belassen, als
der Kommissar intervenierte.
»Sie
hatten also wilden Sex und fielen danach in Tiefschlaf?« Das Funkeln der
Schweinsäuglein kam ihr geradezu provozierend vor. Jule begann, den Mann zu
hassen.
Demonstrativ
verschränkte sie die Arme vor der Brust und schürzte die Lippen. Sie beschloss,
das Ganze auf die Spitze zu treiben. »Genau. Es war einfach geil und ungemein
entspannend.«
Jetzt
bleckte Wesseling die Zähne. Sein Gehabe war eine
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