Bleischwer
Kein
Eintrag. Wie zu erwarten. Jetzt versuchte sie es mit den selben Stichworten bei
Google. Mmmh, gleich mehrere Treffer. Eine Melanie Pütz, die den Lesewettbewerb
der Astrid-Lindgren-Grundschule in Holzbüttgen gewonnen hatte. Wohl kaum. Dann
eine Liste von Sportlerinnen aus dem gesamten Rheinland, die im Sommer 2009 an
einem Triathlon am Kaarster See teilgenommen hatten. Melanie Pütz hatte
Startposition 42 gehabt. Unwahrscheinlich. Die Teilnehmerin musste nicht
zwangsläufig in Kaarst wohnen. Ein Ergebnis allerdings sah viel versprechend
aus: der Hinweis auf die Homepage eines Kosmetikstudios. Jule klickte die Website
an und – na bitte: Das Studio befand sich in Vorst, die Besitzerin hieß
mit vollem Namen Melanie Pütz-Coenen. Möglicherweise ein Volltreffer. Jule
notierte Adresse und Telefonnummer des Ladens und verließ das Haus.
Michaels Hände sahen heute
morgen weit besser als gestern aus. Der ganze Mann wirkte gesünder. Er hatte
geduscht und die Haare gewaschen. Außerdem trug er frische Klamotten aus seiner
Reisetasche: Jeans und T-Shirt. Jule gab erneut Brandsalbe auf die Wunden und
legte frische Verbände an. Dann berichtete sie von ihrem Fund im Internet.
»Ich
werd gleich mal dort anrufen und einen Termin machen«, kündigte sie an, während
sie in die Küche lief, um sich einen Kaffee direkt aus der Glaskanne der
Maschine einzuschenken. Koffein, morgens brauchte sie das einfach in rauen
Mengen.
Michael
nickte. »Gute Idee. Vielleicht weiß sie was. Wenn sie es ist.« Er räusperte
sich, bevor er weiterredete: »Aber ich hab mir auch meine Gedanken gemacht.
Jule, setz dich bitte. Ist, glaube ich, besser.«
Jule
gehorchte erstaunt, indem sie in einen der Sessel im Wohnzimmer glitt. Gierig
schlürfte sie den starken Kaffee aus dem Henkelbecher.
»Okay«,
gab sie schließlich das Startzeichen. »Schieß los.«
Michael
hockte sich auf die abgewetzte Armstütze des Sofas und fixierte Jule skeptisch.
»Werd aber nicht sauer, ja?« Dann ging es Schlag auf Schlag.
»Die
Morde. Erst Sonja, danach Stefan. Am Ende die Brandstiftung. All das weist auf
einen Täter hin, dem das Tal gut vertraut ist. Und mehr. Er kennt den
›Eifelwind‹ wie seine Westentasche, geht dort ein und aus. Meiner Meinung nach
kann das nur ein Dauercamper sein. Also einer, der seit Jahren den Campingplatz
besucht. Und: Er hat eine Querverbindung zu dem Bankraub von 87. Hat vielleicht
von Sonja Bohr das Scheißgedicht gehört und den Zusammenhang hergestellt. Der
Typ geht also hin und gräbt die Beute am Weinstock aus. Er schmeißt die leere
Dose in den Bach. Anschließend beseitigt er Sonja. Klar, die weiß zu viel.
Geschickt fädelt er es so ein, dass alle Welt Stefan Winter für den Mörder
hält. Keine Kunst, wenn du mich fragst. Jeder ist bereit, einem
Lebenslänglichen alles Schlechte dieser Welt zuzutrauen. Doch dann begegnet er
Stefan plötzlich Sonntagnacht am Angelsee. Der hat irgendwie von den Umtrieben
des Täters erfahren. Unserem Dauercamper bleibt nur eins: Mord. Er erschlägt
den Zeugen feige von hinten. Jetzt glaubt er, die Geschichte hinter sich zu
haben. Denn er geht davon aus, dass man mich verdächtigen wird. Vergiss nicht,
er ist ein Insider. Er weiß, dass Stefan mein Freund war und ich eine
kriminelle Vorgeschichte habe. Leichte Beute, denkt er. Aber jetzt passiert
etwas, was der Typ nicht vorhersehen konnte: Du, eine unbescholtene Bürgerin,
gibst mir ein wasserdichtes Alibi. Ich wandere nicht in den Knast, wie das
Arschloch geplant hatte, sondern man lässt mich frei.«
Hier
stoppte Michael kurz und atmete einmal tief durch. »Also muss er mich irgendwie
unschädlich machen, damit ich ihm nicht auf die Schliche komme. Er passt die
Gelegenheit ab und fackelt deinen Stellplatz ab, als ich mich gerade dort
aufhalte. Pech für ihn, dass ich davonkomme.« Er lächelte freudlos. »Aber
immerhin haue ich praktischerweise ab und mache mich mal wieder bei den Bullen
verdächtig.« Er räusperte sich. »Was sagst du dazu? Klingt logisch, oder?«
Jule
zögerte. »Ja«, gab sie schließlich zu. »Tut es. Aber das ist nicht alles, oder?
Du hast eine Idee, wer der Täter sein könnte, stimmt’s?«
»Richtig,
hab ich. Aber das wird dir nicht gefallen, schätze ich.« Er schluckte,
blinzelte sie an.
»Nun
sag schon.«
Sie
ahnte es bereits. Los jetzt, dachte sie. Sei nicht feige.
»Odenthal.«
Michael nickte, räusperte sich noch einmal. »Es kann kein anderer sein.«
Die
Behauptung schwelte vor sich hin
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